Amtsstuben werden Asylheim
In Wünsdorf entstehen Schritt für Schritt Wohnheimplätze für 1700 Flüchtlinge
Containerdörfer sollen nur eine Übergangslösung sein, versicherte Finanzminister Christian Görke bei einem Besuch in Wünsdorf.
Mit der schrittweisen Umfunktionierung des Wünsdorfer Verwaltungszentrums B zu einer großen Flüchtlingsunterkunft ist der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) noch nicht sonderlich weit gekommen. Erst einmal mussten die dort untergebrachten Behörden in die unweit gelegenen Verwaltungszentren A und C sowie nach Zossen ausweichen. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst wird seine Räume erst noch freimachen.
In drei von sieben Gebäuden laufen die Bauarbeiten bereits. Die Häuser sind gut in Schuss. Eine Sanierung ist nicht notwendig. Aber um Büros in ein Wohnheim zu verwandelt, sind Bäder, Teeküchen und zusätzliche Fluchtwege erforderlich. Eine Elektrofirma zieht Kabel. Mal ist eine Wand entfernt, mal der Fußboden aufgestemmt, mal die Fassade aufgebrochen. In einem alten Garagenkomplex, dessen Dach erhalten geblieben ist, wird eine Mensa hineingebaut.
Die in Eisenhüttenstadt beheimatete Erstaufnahmestelle des Landes Brandenburg für Flüchtlinge ist hoffnungslos überfüllt und die jüngste Schätzung geht von 24 650 Menschen aus, die im laufenden Jahr ankommen sollen. Vorher war man von lediglich 14 000 Asylbewerbern ausgegangen. »Deshalb sind wir genötigt, so schnell wie möglich und so gründlich wie nötig, neue Kapazitäten aufzubauen«, sagt Finanzminister Christian Görke (LINKE). Er informierte sich am vergangenen Freitag in Wünsdorf über den Stand der Arbeiten. In Frankfurt (Oder), Doberlug-Kirchhain und Ferch sind bereits Außenstellen eröffnet, in Wünsdorf entsteht eine weitere Filiale.
Bis Jahresende sollen in Wünsdorf 500 Plätze in Gebäuden bezugsfertig sein, und zusätzlich 500 Plätze in einem Containerdorf, das auf einem angrenzenden Gelände errichtet werden soll. Die Versorgung des Containerdorfs mit Strom und Wasser und die Entsorgung des Abwassers sei inzwischen geklärt, versichert BLBGeschäftsführer Volker Bargfrede.
Bis Ende 2016 sollen zwei weitere Gebäude hergerichtet sein. Bis Mitte 2017 will der BLB alles fertig haben. 35 Millionen Euro wird das insgesamt kosten. 1700 Plätze werden dann zur Verfügung stehen, das Containerdorf inbegriffen.
»Container sind immer nur eine temporäre Lösung«, betont Finanzminister Görke. Container sollten nicht auf Dauer für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. »Aber Prognose ist Prognose«, stellt Görke klar. Wenn noch mehr Asylbewerber kommen als jetzt gedacht, dann werde man Containerdörfer eventuell länger brauchen.
Für die rot-rote Landesregierung stellte sich die Frage, wo im Land Brandenburg solche Containerdörfer errichtet werden. »Wir fanden, in Wünsdorf ist es akzeptabel«, sagt Görke. Er nennt einen Vorteil für die Stadt Zossen, zu der Wünsdorf gehört: Die Flüchtlinge werden als Einwohner gezählt und bei der Berechnung der finanziellen Zuschüsse des Landes an die Kommune voll berücksichtigt. Zossen erhält also entsprechend mehr Geld.
Viele Einheimische sind trotzdem nicht begeistert, was sich auch bei einer Anwohnerversammlung im Juni zeigte, bei der es hoch herging. Es gibt einige wenige Wünsdorfer, die Flüchtlinge willkommen heißen möchten. Aber ganz offensichtlich bestimmen rassistische Vorurteile und irrationale Ängste vor Kriminalität die vorherrschende Meinung im Ort. Das reicht bis zu der peinlichen Ansicht, dass die Asylbewerber das Gelände des Verwaltungszentrums nicht verlassen dürften – eine Vorstellung, die den Finanzminister erstaunt. Schließlich plant das Land hier kein Gefängnis.
In Eisenhüttenstadt müssen viele Flüchtlinge derzeit in Zelten campieren. Es herrschen dort menschenunwürdige Zustände. Das Zeltlager an der Erstaufnahmeeinrichtung wurde am Wochenende um Zelte für 130 Asylbewerber erweitert, das Camp an der Eisenhüttenstädter Unterschleuse um 70 Plätze aufgestockt. Zudem wurden 100 Betten in einem Hotel bei Frankfurt (Oder) angemietet. Damit stehen für die Erstaufnahme von Flüchtlingen in Brandenburg nun knapp 3200 Plätze an sechs Standorten zur Verfügung.
In Wünsdorf werden die Lebensbedingungen wesentlich besser sein als in Eisenhüttenstadt, ist die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE) überzeugt. Zwar darf man bei 20 Quadratmeter großen Zimmern mit jeweils drei Betten durchaus davon sprechen, dass die Leute hier eingepfercht werden. Aber wenigstens sind die Gebäude in einem tadellosen Zustand, es gibt schöne Grünflächen, Wald, eine Bushaltestelle und eine akzeptable Bahnverbindung nach Berlin, wo alle möglichen Kulturen dieser Welt anzutreffen sind.
Johlige macht den Finanzminister auf eine Fassade aufmerksam, an der Pflanzen ranken. Auf der einen Seite sind die Blätter grün, auf der anderen Seite schwarz verkohlt. »Hier war der Brandanschlag«, erklärt sie. Zwei Neonazis hatten in der Nacht zum 16. Mai drei Abfallcontainer angezündet. Zum Glück konnte eine aufmerksame Polizeistreife die Täter auf frischer Tat ergreifen und die Flammen löschen, bevor das Feuer auf das Gebäude übergriff und ernsten Schaden anrichtete – anders als in Nauen, wo unbekannte kürzlich durch einen Brandanschlag eine Sporthalle zerstörten, in die bald Flüchtlinge einziehen sollten.
Um die Wünsdorfer Gebäude noch besser zu schützen, als das durch die Polizei bereits geschieht, werde ein Wachschutz engagiert, kündigt Finanzminister Görke noch einmal an.