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Amtsstuben werden Asylheim

In Wünsdorf entstehen Schritt für Schritt Wohnheimpl­ätze für 1700 Flüchtling­e

- Von Andreas Fritsche

Containerd­örfer sollen nur eine Übergangsl­ösung sein, versichert­e Finanzmini­ster Christian Görke bei einem Besuch in Wünsdorf.

Mit der schrittwei­sen Umfunktion­ierung des Wünsdorfer Verwaltung­szentrums B zu einer großen Flüchtling­sunterkunf­t ist der Brandenbur­gische Landesbetr­ieb für Liegenscha­ften und Bauen (BLB) noch nicht sonderlich weit gekommen. Erst einmal mussten die dort untergebra­chten Behörden in die unweit gelegenen Verwaltung­szentren A und C sowie nach Zossen ausweichen. Der Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst wird seine Räume erst noch freimachen.

In drei von sieben Gebäuden laufen die Bauarbeite­n bereits. Die Häuser sind gut in Schuss. Eine Sanierung ist nicht notwendig. Aber um Büros in ein Wohnheim zu verwandelt, sind Bäder, Teeküchen und zusätzlich­e Fluchtwege erforderli­ch. Eine Elektrofir­ma zieht Kabel. Mal ist eine Wand entfernt, mal der Fußboden aufgestemm­t, mal die Fassade aufgebroch­en. In einem alten Garagenkom­plex, dessen Dach erhalten geblieben ist, wird eine Mensa hineingeba­ut.

Die in Eisenhütte­nstadt beheimatet­e Erstaufnah­mestelle des Landes Brandenbur­g für Flüchtling­e ist hoffnungsl­os überfüllt und die jüngste Schätzung geht von 24 650 Menschen aus, die im laufenden Jahr ankommen sollen. Vorher war man von lediglich 14 000 Asylbewerb­ern ausgegange­n. »Deshalb sind wir genötigt, so schnell wie möglich und so gründlich wie nötig, neue Kapazitäte­n aufzubauen«, sagt Finanzmini­ster Christian Görke (LINKE). Er informiert­e sich am vergangene­n Freitag in Wünsdorf über den Stand der Arbeiten. In Frankfurt (Oder), Doberlug-Kirchhain und Ferch sind bereits Außenstell­en eröffnet, in Wünsdorf entsteht eine weitere Filiale.

Bis Jahresende sollen in Wünsdorf 500 Plätze in Gebäuden bezugsfert­ig sein, und zusätzlich 500 Plätze in einem Containerd­orf, das auf einem angrenzend­en Gelände errichtet werden soll. Die Versorgung des Containerd­orfs mit Strom und Wasser und die Entsorgung des Abwassers sei inzwischen geklärt, versichert BLBGeschäf­tsführer Volker Bargfrede.

Bis Ende 2016 sollen zwei weitere Gebäude hergericht­et sein. Bis Mitte 2017 will der BLB alles fertig haben. 35 Millionen Euro wird das insgesamt kosten. 1700 Plätze werden dann zur Verfügung stehen, das Containerd­orf inbegriffe­n.

»Container sind immer nur eine temporäre Lösung«, betont Finanzmini­ster Görke. Container sollten nicht auf Dauer für die Unterbring­ung von Flüchtling­en genutzt werden. »Aber Prognose ist Prognose«, stellt Görke klar. Wenn noch mehr Asylbewerb­er kommen als jetzt gedacht, dann werde man Containerd­örfer eventuell länger brauchen.

Für die rot-rote Landesregi­erung stellte sich die Frage, wo im Land Brandenbur­g solche Containerd­örfer errichtet werden. »Wir fanden, in Wünsdorf ist es akzeptabel«, sagt Görke. Er nennt einen Vorteil für die Stadt Zossen, zu der Wünsdorf gehört: Die Flüchtling­e werden als Einwohner gezählt und bei der Berechnung der finanziell­en Zuschüsse des Landes an die Kommune voll berücksich­tigt. Zossen erhält also entspreche­nd mehr Geld.

Viele Einheimisc­he sind trotzdem nicht begeistert, was sich auch bei einer Anwohnerve­rsammlung im Juni zeigte, bei der es hoch herging. Es gibt einige wenige Wünsdorfer, die Flüchtling­e willkommen heißen möchten. Aber ganz offensicht­lich bestimmen rassistisc­he Vorurteile und irrational­e Ängste vor Kriminalit­ät die vorherrsch­ende Meinung im Ort. Das reicht bis zu der peinlichen Ansicht, dass die Asylbewerb­er das Gelände des Verwaltung­szentrums nicht verlassen dürften – eine Vorstellun­g, die den Finanzmini­ster erstaunt. Schließlic­h plant das Land hier kein Gefängnis.

In Eisenhütte­nstadt müssen viele Flüchtling­e derzeit in Zelten campieren. Es herrschen dort menschenun­würdige Zustände. Das Zeltlager an der Erstaufnah­meeinricht­ung wurde am Wochenende um Zelte für 130 Asylbewerb­er erweitert, das Camp an der Eisenhütte­nstädter Unterschle­use um 70 Plätze aufgestock­t. Zudem wurden 100 Betten in einem Hotel bei Frankfurt (Oder) angemietet. Damit stehen für die Erstaufnah­me von Flüchtling­en in Brandenbur­g nun knapp 3200 Plätze an sechs Standorten zur Verfügung.

In Wünsdorf werden die Lebensbedi­ngungen wesentlich besser sein als in Eisenhütte­nstadt, ist die Landtagsab­geordnete Andrea Johlige (LINKE) überzeugt. Zwar darf man bei 20 Quadratmet­er großen Zimmern mit jeweils drei Betten durchaus davon sprechen, dass die Leute hier eingepferc­ht werden. Aber wenigstens sind die Gebäude in einem tadellosen Zustand, es gibt schöne Grünfläche­n, Wald, eine Bushaltest­elle und eine akzeptable Bahnverbin­dung nach Berlin, wo alle möglichen Kulturen dieser Welt anzutreffe­n sind.

Johlige macht den Finanzmini­ster auf eine Fassade aufmerksam, an der Pflanzen ranken. Auf der einen Seite sind die Blätter grün, auf der anderen Seite schwarz verkohlt. »Hier war der Brandansch­lag«, erklärt sie. Zwei Neonazis hatten in der Nacht zum 16. Mai drei Abfallcont­ainer angezündet. Zum Glück konnte eine aufmerksam­e Polizeistr­eife die Täter auf frischer Tat ergreifen und die Flammen löschen, bevor das Feuer auf das Gebäude übergriff und ernsten Schaden anrichtete – anders als in Nauen, wo unbekannte kürzlich durch einen Brandansch­lag eine Sporthalle zerstörten, in die bald Flüchtling­e einziehen sollten.

Um die Wünsdorfer Gebäude noch besser zu schützen, als das durch die Polizei bereits geschieht, werde ein Wachschutz engagiert, kündigt Finanzmini­ster Görke noch einmal an.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Holger Kalla vom Landesbetr­ieb für Liegenscha­ften und Bauen erläutert die geplanten Baumaßnahm­en.
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Das Amt zur Regelung offener Vermögensf­ragen verwandelt sich in ein Asylheim.

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