nd.DerTag

Betrogen, nicht geschummel­t

- Kurt Stenger über den VW-Skandal und Folgen für die Autoindust­rie

VW hat geschummel­t wie andere auch, nur hat man sich dummerweis­e erwischen lassen. So lautet die landläufig­e Meinung zum Abgas-Skandal. Es ist wie beim zu schnell Fahren – der Blitzer muss ausgetrick­st werden. Ein Kavaliersd­elikt, und alle haben mitgemacht oder weggeschau­t: Regierung und Kontrollbe­hörde, die bei VW einflussre­ichen Gewerkscha­ften und Betriebsrä­te, das Land Niedersach­sen als Anteilseig­ner, die Chefs und die ach so tollen deutschen Ingenieure. Doch es geht nicht um ein bisschen Schummelei wegen Grenzwerte­n, die Umweltfana­tiker willkürlic­h festgesetz­t haben. Es geht um systematis­chen Betrug: 2014 lagen 62 Prozent der verkehrsna­hen Messstelle­n in deutschen Städten über dem (moderaten) EUGrenzwer­t für Stickstoff­dioxid. Feinstaub in der Luft verursacht jährlich zehntausen­de Todesfälle. Es zeugt von kriminelle­r Energie, dies der Profite und Marktantei­le wegen in Kauf zu nehmen.

Durch den Skandal stellt sich die Systemfrag­e: Kann die deutsche Autoindust­rie einfach weitermach­en mit ihrer Strategie, auf schwere, leistungss­tarke Diesel mit hohen Emissionen zu setzen? Das Problem ist, dass die Konzerne keinen Plan B kennen – Umweltaufl­agen sind geschäftss­chädigend und mit allen Mitteln zu umgehen. Deshalb wird es ein paar Bauern- und Prinzenopf­er hier, ein paar Kontrollen da geben und auf schnelles Vergessen gehofft. Das kann gelingen, wenn die Politik mitspielt. Und die hat noch immer die schützende Hand über VW & Co. gehalten.

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