Schwer unter der Decke zu halten
Informationspolitik der Flughafengesellschaft zum überlasteten Terminaldach zweifelhaft
In Expertenkreisen war das Problem zu schwerer Ventilatoren im BER seit 2014 bekannt. Doch der Aufsichtsrat wurde erst spät und mangelhaft in Kenntnis gesetzt.
Im Terminal des künftigen Hauptstadtflughafens BER hängen 15 Ventilatoren unter dem Dach, die bei einem Brand Rauchgas absaugen sollen. 80 000 Kubikmeter Luft können sie jeweils pro Stunde im Notfall wegpusten, einige sogar 160 000 Kubikmeter. Bei der Berechnung der Statik des Gebäudes wurde im Jahr 2008 davon ausgegangen, dass die Ventilatoren jeweils 2000 Kilogramm schwer sind. Tatsächlich wurden später jedoch zehn Geräte eingebaut, die 2300 Kilogramm auf die Waage bringen, und fünf, die sogar 4000 Kilogramm wiegen.
Fachleute erklären, dass ingenieurtechnische Meisterleistungen wie ein solches Flughafenterminal von den Architekten so konstruiert werden, dass wenig Spielraum für höhere Gewichte bleibe. Eine Überlastung würde also für eine viel zu schnelle Ermüdung des Materials sorgen und über kurz oder lang zu einem Einsturz führen. Seit Freitag ist das Terminal vorsorglich gesperrt, seit Montag gilt ein vom Landkreis DahmeSpreewald verhängter Baustopp. In Expertenkreisen waren die Statikprobleme bereits seit Dezember vergangenen Jahres bekannt.
Die Staatsanwaltschaft Cottbus leitete Vorermittlungen ein. Laut Oberstaatsanwältin Petra Hertwig »besteht der Anfangsverdacht einer fahrlässigen Baugefährdung«.
Zumindest von der Sperrung erfuhr der Aufsichtsrat erst am Samstagabend. Weil die »BILD am Sonntag« an der Sache dran war, informierte Flughafenchef Karsten Mühlenfeld die Aufsichtsratsmitglieder schnell und knapp per Rundmail. Um 20.58 Uhr oder auch eine Minute später gingen die Nachrichten ein. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) soll laut »Tagesspiegel« von den Problemen trotzdem erst am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren haben, da er seine Mails nicht durchgesehen hatte. Dort lag die Information für ihn aber wenigstens bereit. Die Pressestelle sollte indessen offenbar nur für den Fall zeitnah eine Erklärung herausgeben, dass die »Bild am Sonntag« auch wirklich berichtet. Das Blatt soll besser und frü- her Bescheid gewusst haben als Flughafenchef Mühlenfeld persönlich.
»Indiskutabel« nennt Brandenburgs Grünen-Fraktionschef Axel Vogel die Informationspolitik. »Schon wieder erfährt die Öffentlichkeit erst aus den Medien von Problemen, bevor sich das Unternehmen bequemt, dazu Stellung zu nehmen«, bemängelt Vogel. Der Berliner CDU-Abgeordnete Stefan Evers stellt fest: »Frühere Flughafenchefs haben den Aufsichtsrat bewusst über den Zustand auf der Baustelle getäuscht.« Das Ver- trauen in Mühlenfeld sei nun ganz erheblich gefährdet. Vogel und Evers haben Zweifel, ob der Termin für die Eröffnung des Flughafens im Jahr 2017 noch zu halten ist.
Die Flughafengesellschaft FBB ahnt schon, dass es nicht genügen wird, die Statik noch einmal neu durchzurechnen, da einige Ventilatoren tatsächlich doppelt so schwer sind wie gedacht. Da muss umgeplant und umgebaut werden. Die FBB meint aber, die Sperrung müsse nicht so lange dauern, da man ja über- gangsweise von unten abstützen könne.
Brandenburgs FDP-Landeschef Axel Graf Bülow findet: »Wir brauchen einen kompletten Neustart mit privaten Investoren. Anders ist der Supergau nicht mehr abzuwenden.«
Brandenburgs Linksfraktionschef Ralf Christoffers schließt nicht aus, dass sich künftig private Investoren beteiligen. Im Nachhinein stelle sich heraus, dass die Trennung von Hochtief problematisch war, sagt er. Dieser Konzern wollte und sollte den Airport ursprünglich bauen. »Ich komme aus dem Schiffbau und ich weiß, wie leicht die Tragfähigkeit einer Decke einzuschätzen ist«, versichert der Linksfraktionschef. Er hat auch Verständnis dafür, dass nun über einen Abschied von dem Bauprojekt debattiert wird. »Dennoch halte ich einen Ausstieg aus dem Standort Schönefeld im Grundsatz nicht für möglich«, sagt er. Inzwischen seien mehrere Milliarden Euro verbaut. »Eine Schließung der Baustelle und einen Neubau an anderer Stelle kann die öffentliche Hand nicht leisten.«
»Ernüchtert« zeigt sich CDU-Amtskollege Ingo Senftleben. Er hatte gehofft, »dass wir in Deutschland nicht nur mit dem Bau beginnen, sondern ihn auch zu Ende bringen können«, doch sei dies »hier offensichtlich nicht der Fall«.