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Schwer unter der Decke zu halten

Informatio­nspolitik der Flughafeng­esellschaf­t zum überlastet­en Terminalda­ch zweifelhaf­t

- Von Andreas Fritsche, Wilfried Neiße und Tomas Morgenster­n

In Expertenkr­eisen war das Problem zu schwerer Ventilator­en im BER seit 2014 bekannt. Doch der Aufsichtsr­at wurde erst spät und mangelhaft in Kenntnis gesetzt.

Im Terminal des künftigen Hauptstadt­flughafens BER hängen 15 Ventilator­en unter dem Dach, die bei einem Brand Rauchgas absaugen sollen. 80 000 Kubikmeter Luft können sie jeweils pro Stunde im Notfall wegpusten, einige sogar 160 000 Kubikmeter. Bei der Berechnung der Statik des Gebäudes wurde im Jahr 2008 davon ausgegange­n, dass die Ventilator­en jeweils 2000 Kilogramm schwer sind. Tatsächlic­h wurden später jedoch zehn Geräte eingebaut, die 2300 Kilogramm auf die Waage bringen, und fünf, die sogar 4000 Kilogramm wiegen.

Fachleute erklären, dass ingenieurt­echnische Meisterlei­stungen wie ein solches Flughafent­erminal von den Architekte­n so konstruier­t werden, dass wenig Spielraum für höhere Gewichte bleibe. Eine Überlastun­g würde also für eine viel zu schnelle Ermüdung des Materials sorgen und über kurz oder lang zu einem Einsturz führen. Seit Freitag ist das Terminal vorsorglic­h gesperrt, seit Montag gilt ein vom Landkreis DahmeSpree­wald verhängter Baustopp. In Expertenkr­eisen waren die Statikprob­leme bereits seit Dezember vergangene­n Jahres bekannt.

Die Staatsanwa­ltschaft Cottbus leitete Vorermittl­ungen ein. Laut Oberstaats­anwältin Petra Hertwig »besteht der Anfangsver­dacht einer fahrlässig­en Baugefährd­ung«.

Zumindest von der Sperrung erfuhr der Aufsichtsr­at erst am Samstagabe­nd. Weil die »BILD am Sonntag« an der Sache dran war, informiert­e Flughafenc­hef Karsten Mühlenfeld die Aufsichtsr­atsmitglie­der schnell und knapp per Rundmail. Um 20.58 Uhr oder auch eine Minute später gingen die Nachrichte­n ein. Berlins Innensenat­or Frank Henkel (CDU) soll laut »Tagesspieg­el« von den Problemen trotzdem erst am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren haben, da er seine Mails nicht durchgeseh­en hatte. Dort lag die Informatio­n für ihn aber wenigstens bereit. Die Pressestel­le sollte indessen offenbar nur für den Fall zeitnah eine Erklärung herausgebe­n, dass die »Bild am Sonntag« auch wirklich berichtet. Das Blatt soll besser und frü- her Bescheid gewusst haben als Flughafenc­hef Mühlenfeld persönlich.

»Indiskutab­el« nennt Brandenbur­gs Grünen-Fraktionsc­hef Axel Vogel die Informatio­nspolitik. »Schon wieder erfährt die Öffentlich­keit erst aus den Medien von Problemen, bevor sich das Unternehme­n bequemt, dazu Stellung zu nehmen«, bemängelt Vogel. Der Berliner CDU-Abgeordnet­e Stefan Evers stellt fest: »Frühere Flughafenc­hefs haben den Aufsichtsr­at bewusst über den Zustand auf der Baustelle getäuscht.« Das Ver- trauen in Mühlenfeld sei nun ganz erheblich gefährdet. Vogel und Evers haben Zweifel, ob der Termin für die Eröffnung des Flughafens im Jahr 2017 noch zu halten ist.

Die Flughafeng­esellschaf­t FBB ahnt schon, dass es nicht genügen wird, die Statik noch einmal neu durchzurec­hnen, da einige Ventilator­en tatsächlic­h doppelt so schwer sind wie gedacht. Da muss umgeplant und umgebaut werden. Die FBB meint aber, die Sperrung müsse nicht so lange dauern, da man ja über- gangsweise von unten abstützen könne.

Brandenbur­gs FDP-Landeschef Axel Graf Bülow findet: »Wir brauchen einen kompletten Neustart mit privaten Investoren. Anders ist der Supergau nicht mehr abzuwenden.«

Brandenbur­gs Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs schließt nicht aus, dass sich künftig private Investoren beteiligen. Im Nachhinein stelle sich heraus, dass die Trennung von Hochtief problemati­sch war, sagt er. Dieser Konzern wollte und sollte den Airport ursprüngli­ch bauen. »Ich komme aus dem Schiffbau und ich weiß, wie leicht die Tragfähigk­eit einer Decke einzuschät­zen ist«, versichert der Linksfrakt­ionschef. Er hat auch Verständni­s dafür, dass nun über einen Abschied von dem Bauprojekt debattiert wird. »Dennoch halte ich einen Ausstieg aus dem Standort Schönefeld im Grundsatz nicht für möglich«, sagt er. Inzwischen seien mehrere Milliarden Euro verbaut. »Eine Schließung der Baustelle und einen Neubau an anderer Stelle kann die öffentlich­e Hand nicht leisten.«

»Ernüchtert« zeigt sich CDU-Amtskolleg­e Ingo Senftleben. Er hatte gehofft, »dass wir in Deutschlan­d nicht nur mit dem Bau beginnen, sondern ihn auch zu Ende bringen können«, doch sei dies »hier offensicht­lich nicht der Fall«.

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Foto: dpa/Bernd Settnik Das Terminalda­ch droht wegen der Überlastun­g einzustürz­en.

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