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Dieter Glietsch soll Flüchtling­s-Krisenstab leiten

Ex-Polizeiprä­sident kümmert sich ab sofort gemeinsam mit Sozialstaa­tssekretär Dirk Gerstle um die ankommende­n Asylsuchen­den

- Von Martin Kröger

Um die katastroph­ale Flüchtling­sunterbrin­gung in den Griff zu bekommen, ruft der Senat einen Pensionär aus dem Ruhestand zurück: Der ehemalige Polizeiprä­sident Glietsch ist neuer Staatssekr­etär.

Ein Pensionär soll helfen, die Flüchtling­sunterbrin­gung in Berlin zu meistern. »Ich dachte mir, es wäre eine hervorrage­nde Unterstütz­ung, wenn Dieter Glietsch wieder nach Berlin kommt«, sagte der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) am Dienstag bei der Senatspres­sekonferen­z im Roten Rathaus. Der Regierende griff selbst zum Hörer und suchte das Gespräch mit dem ehemaligen Polizeiprä­sidenten Glietsch, der die Berliner Polizei zwischen 2002 und 2011 wie kaum ein anderer zu einer bürgernahe­n Behörde umgekrempe­lt hatte.

Am Ende seiner Abwägungen entschied Glietschs Pflichtbew­usstsein: »Bei so einer Frage sagt man nicht Nein«, erklärte Glietsch bei seiner Vorstellun­g als neuer »Flüchtling­s- staatssekr­etär« am Dienstag. Ihm gehe es in erster Linie um die Sache und eine wichtigere und vorrangige Aufgabe für Staat und Zivilgesel­lschaft gebe es derzeit nicht, als diese Menschen angemessen unterzubri­ngen. Ab sofort soll der 68-Jährige gemeinsam mit Sozialstaa­tssekretär Dirk Gerstle (CDU) den »Koordinier­ungsstab für die Flüchtling­sunterbrin­gung« in der Stadt leiten, der Mitte August ins Leben gerufen worden war. In dem Krisenstab arbeiten inzwischen 45 Verwaltung­smitarbeit­er, das Gremium tagt 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Während Gerstle weiter die fachliche Leitung innehat, wird Glietsch seine langjährig­e Verwaltung­serfahrung als Organisati­onsleiter einbringen. »Ich bilde mir nicht ein, dass ich in den nächsten drei Tagen Probleme lösen könnte«, sagte Glietsch. Es müsse aber schnell Lösungen geben, die den Asylsuchen­den über den Winter helfen.

Wie dringend die personelle Aufstockun­g auch auf der Führungseb­ene ist, zeigen die Zahlen der vergangene­n zweieinhal­b Wochen: Demnach kamen seit dem 5. September 9121 Flüchtling­e in Berlin an. So viele wie in den Jahren 2012 und 2013 zusammen. Insgesamt nahm die Hauptstadt in diesem Jahr bereits rund 32 000 Flüchtling­e auf. Auch in den kommenden Tagen werden wieder alle zwei Tage Sonderzüge aus München erwartet, die vor allem Asylsuchen­de aus den Kriegsgebi­eten im Nahen Osten nach Berlin bringen. Sie stellen inzwischen bis zu 90 Prozent der Ankommende­n. Flüchtling­e aus den sogenannte­n Westbalkan­staaten kommen dagegen kaum noch nach Deutschlan­d.

Bevor Glietsch zusagte, gab es ein ausführlic­hes Gespräch mit Gerstle. Beide Leiter des Krisenstab­es betonten bei der Pressekonf­erenz, dass ein Erfolg bei der Flüchtling­sunterbrin­gung nur als Team zu erreichen sei. Neben dem Regierende­n Bürgermeis­ter Michael Müller zeigte sich auch Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU) »dankbar«, dass Glietsch überredet werden konnte, seinen Ruhestand in Nordrhein-Westfalen aufzugeben.

Die Opposition im Abgeordnet­enhaus sah die Ernennung des neuen Staatssekr­etärs unterdesse­n kritisch. »Dieter Glietsch war ein guter Polizeiprä­sident, mit dem man früher vertrauens­voll zusammenar­beitete«, sagte der Fraktionsv­orsitzende der LINKEN, Udo Wolf. Es mangele Berlin jedoch nicht an Staatssekr­etären, sondern nach wie vor an Mitarbeite­rn im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) sowie menschenwü­rdigen Unterbring­ungsmöglic­hkeiten.

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Foto: nd/Ulli Winkler Ex-Polizeiprä­sident Dieter Glietsch (l.) und Dirk Gerstle

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