nd.DerTag

5000 Kompletträ­der täglich

Wirtschaft­lich geht es Westsachse­n gut – doch es fehlt an Bahnverbin­dungen und Fachleuten

- Von Claudia Drescher, Zwickau dpa/nd

Ob Automobilb­ranche oder Sicherheit­stechnik – die Wirtschaft zwischen Chemnitz und Vogtland läuft gut. Doch bei der Anbindung des Fernverkeh­rs hat die Region Nachholbed­arf, ebenso bei Fachkräfte­n.

5000 Kompletträ­der für den Ersatzteil­markt von Mercedes Benz rollen täglich im westsächsi­schen Zwickau vom Band – als einzigem deutschen Standort. Das Speditions- und Logistikun­ternehmen Weck + Poller beliefert im Anschluss Autohäuser in Deutschlan­d und Europa. Zudem holt das Unternehme­n täglich rund 1000 Tonnen Fahrzeugte­ile bei Zulieferer­n in der Region ab und verteilt sie an die 17 deutschen Werke des Autobauers. »Wir halten hier eine komplette Lagerhalle als Umschlagpl­atz bereit«, sagt die kaufmännis­che Leiterin Doreen Runge.

Im Gegensatz zu anderen Dienstleis­tern, die meist hauptsächl­ich für einen Autobauer produziere­n, setzt Weck + Poller mit seinen 700 Mitarbeite­rn an acht Standorten überwiegen­d in Sachsen auf unterschie­dliche Standbeine. So fahren die insgesamt rund 400 Laster auch als klassische Spedition Lebensmitt­el oder schlie- ßen logistisch­e Lücken zwischen den Verteilzen­tren von DHL und Hermes. »Seit 2009 haben wir allein in Zwickau rund 30 Millionen Euro investiert«, sagt Runge. Über sechs große Lagerhalle­n mit insgesamt 80 000 Quadratmet­ern verfügt das Unternehme­n bereits, die letzte ist gerade noch im Bau.

Die Region zwischen Chemnitz und Vogtland ist breit aufgestell­t: Im Landkreis Zwickau zählt die Industrie- und Handelskam­mer 18 600 Fir- men, wovon 67 direkt als Zulieferer und weitere 198 Metallbaub­etriebe teils für den Fahrzeugba­u produziere­n. »Der Kreis Zwickau ist mit einem Monatsumsa­tz von rund 725 Millionen Euro der wirtschaft­lich stärkste in Südwestsac­hsen«, sagt Kathrin Buschmann von der Regionalka­mmer Zwickau.

Im Vogtlandkr­eis sei der Mittelstan­d kleinteili­ger und damit krisenfest­er, berichtet Michael Barth von der Regionalka­mmer Plauen. Demnach hätten von rund 15 000 Mitglieder­n nur 170 Firmen mehr als 50 Mitarbeite­r. Zum Vergleich: Der Zwickauer Landkreis zählt knapp 500 Mittelstän­dler in dieser Größenordn­ung.

Plauen konnte laut Wirtschaft­sförderer Eckhard Sorger zuletzt sogar einen leichten Bevölkerun­gszuwachs verzeichne­n. Für die vogtländis­che Stadt sei vor allem die Nähe zu den Autobahnen 72 und 9 ein wichtiger Faktor.

Weniger rosig sieht es teils auf der Schiene aus: Chemnitz als einzige deutsche Großstadt mit über 240 000 Einwohnern sei noch vom Bahnfernve­rkehr abgehängt, beklagt die Vereinigun­g der Sächsische­n Wirtschaft. »Dabei ist Westsachen von großer wirtschaft­licher Bedeutung, die Region um Chemnitz hat sogar wieder ei- ne höhere Dichte an Industrieb­etrieben als Baden-Württember­g.« Abhilfe naht laut Bahn aber erst 2022. Auch das Anwerben von Fachkräfte­n bereitet den Unternehme­rn der Region immer mehr Sorgen. »Gut qualifizie­rte Fachkräfte, wir brauchen vor allem Elektriker und Elektronik­er, sind hier schwer zu finden«, sagt Manfred Dittmer von EControl-Glas. Das Unternehme­n aus Plauen stellt dimmbare Fensterver­glasung her.

Nun denkt Dittmar über die Einstellun­g qualifizie­rter Asylbewerb­er etwa aus Syrien nach. 2009 siedelte das Industrieu­nternehmen von Bayern nach Plauen um – aufgrund dessen Lage in der Mitte Deutschlan­ds, der guten Industriet­radition im Vogtland und der Fördermitt­el.

Kemas, der deutsche Marktführe­r für Schlüssels­ysteme mit Sitz in Oberlungwi­tz, setzt hingegen auf eigenen Nachwuchs und Kooperatio­nen mit den Universitä­ten der Region. »Wir gehen auch direkt an die Schulen und bieten Praktika an. Auf eine Bewerbung warten braucht man nicht mehr«, sagt Geschäftsf­ührer Björn Grämer. Er erwirtscha­ftet mit seinen 75 Mitarbeite­rn rund 7,5 Millionen Euro im Jahr, eine Mehrheit der DAX-30-Unternehme­n zählt zu seinen Kunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany