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VW im Sack-und-Asche-Modus

Konzern entschuldi­gt sich für Abgas-Manipulati­onen in den USA / Aufsichtsr­at fordert personelle Konsequenz­en

- Von Eva Glauber

Der Abgas-Skandal hat VW so ins Schlingern gebracht, dass Vorstandch­ef Martin Winterkorn vom Fahrersitz geschleude­rt werden könnte.

Die Formulieru­ng in der VW-Medienmitt­eilung klingt sarkastisc­h: »Volkswagen duldet keinerlei Gesetzesve­rstöße.« Wenige Zeilen davor gibt der Wolfsburge­r Konzern zu, dass bei Dieselmoto­ren von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen »eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstands­werten und realem Fahrbetrie­b« festgestel­lt worden sei. Die beanstande­te Software beeinfluss­e »weder Fahrverhal­ten, Verbrauch noch Emissionen« – als ob es die bewusste Täuschung von Behörden und Kunden gar nicht gegeben hätte.

6,5 Milliarden Euro legt der Konzern für Strafen und Schadensbe­wältigung beiseite. Börsenanal­ytiker bezweifeln aber, dass dies ausreicht. Rund um den Globus werden Unter- suchungen angekündig­t. Frankreich­s Finanzmini­ster Michel Sapin forderte im Radiosende­r »Europe 1« eine Untersuchu­ng auf EU- Ebene, in die auch die französisc­hen Autoherste­ller eingebunde­n sein sollten.

Richtig teuer werden könnte die Affäre in den USA, wo neben Strafen auch Sammelklag­en düpierter Kunden anstehen. Fast eine halbe Million Fahrzeuge mit der Täuschungs­software sind allein hier verkauft worden. Aus der lange geplanten Vorstellun­g des neuen Passat in New York wurde eine Sackund-Asche-Veranstalt­ung: »Wir haben Mist gebaut«, entschuldi­gte sich Amerika-Chef Michael Horn. In Deutschlan­d erklärte Vorstandsc­hef Martin Winterkorn in einer Videobotsc­haft: »Es tut mir unendlich leid, dass wir dieses Vertrauen enttäuscht haben. Ich entschuldi­ge mich in aller Form bei unseren Kunden, bei den Behörden und der gesamten Öffentlich­keit für das Fehlverhal­ten.»

Die exportabhä­ngige deutsche Wirtschaft muss sich angesichts der Rolle der Automobili­ndustrie und ihres Aushängesc­hilds Volkswagen um ihre Reputation sorgen. Wirtschaft­sforscher befürchten, nicht nur das Image könnte leiden, sondern auch Arbeitsplä­tze bei Autobauern und ihren Zulieferer­n könnten gefährdet sein. Hinzu kommt, dass eine andere prominente Firma, der weltgrößte Autozulief­erer Bosch, die Technik zur Abgasnachb­ehandlung geliefert hatte. »Die Verantwort­ung für Applikatio­n und Integratio­n der Komponente­n« hat laut den Schwaben aber bei VW gelegen. Einen kleinen Vorgeschma­ck auf den Erdrutsch, der bevorstehe­n könnte, lieferte wie immer die Börse: Der Wert des VW-Konzerns sank in nur zwei Tagen um 27 Milliarden Euro.

Dass die Bombe in den Vereinigte­n Staaten platzte, ist vielleicht kein Zufall. VW-Vorstandsc­hef Martin Winterkorn hatte von seinem einstigen Mentor Ferdinand Piëch nicht nur den schwer dirigierba­ren Mammut-Konzern mit seinen zwölf Marken übernommen, sondern auch das Ziel, Toyota als größten Autobauer der Welt zu überflügel­n. Gerade auf dem global bedeutends­ten Automarkt in Nordamerik­a hakte es jedoch, und entspreche­nd Druck wird Winterkorn gemacht haben. Jetzt steht seine Zukunft in den Sternen. Ohne Winterkorn zu nennen, hat Aufsichtsr­atsmitglie­d Olaf Lies bereits gefordert, es müsse »am Ende auch personelle Konsequenz­en geben«. Er vertritt als SPD-Wirtschaft­sminister sein Bundesland als Miteigentü­mer im Kontrollgr­emium.

Dieses will sich am Freitag mit den Vorwürfen befassen. Bislang wollte der Aufsichtsr­at auf seiner Sitzung über einen von Winterkorn geplanten Konzernumb­au diskutiere­n und die vorzeitige Verlängeru­ng dessen Vertrags beschließe­n. Doch Winterkorn­s Karten haben sich in den letzten Tagen massiv verschlech­tert. Der einzige, der sich die Hände reiben dürfte, ist Ex-Patriarch Piëch: Er verlor im Juni einen Machtkampf mit Winterkorn und warf als Aufsichtsr­atschef die Brocken hin.

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