nd.DerTag

»Wir treten auf der Stelle«

Anwälte der Angehörige­n der Germanwing­s-Absturzopf­er kritisiere­n Lufthansa

- Dpa/nd

Düsseldorf. Die Rufe des ausgesperr­ten Chefpilote­n, die Schläge gegen die Kabinentür, die Entsetzens­schreie der Passagiere: Was vor einem halben Jahr über den französisc­hen Alpen geschah, hat im Kopf der Hinterblie­benen tiefe Spuren hinterlass­en. Viele haben das Vertrauen in die Menschheit verloren, berichtet ein Notfallsee­lsorger. Etliche sind in Behandlung. Am 24. März zerschellt ein Germanwing­s-Airbus beim Flug 4U9525 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf an einem Berg. 150 Menschen sterben.

Die Anwälte der Hinterblie­benen sind ausgesproc­hen unzufriede­n. »Die Lufthansa hatte zugesagt, die Ansprüche unbürokrat­isch und großzügig zu regeln. Das ist in der Umsetzung völlig schiefgega­ngen«, so der Berliner Anwalt Elmar Giemulla. Christof Wellens berichtete von einem »unsägliche­n Klein-Klein«. »Wir treten auf der Stelle.« »Da wird die Bescheinig­ung eines behandelnd­en Psychother­apeuten angezweife­lt und ein Angehörige­r aus Haltern an einen der Lufthansa genehmen Psychother­apeuten in Süddeutsch­land verwiesen«, so Giemulla.

Ein Germanwing­s-Sprecher widerspric­ht den Vorwürfen: »Wir sind daran interessie­rt, die Schadeners­atzfragen schnell zu regeln. In einem Fall haben wir uns mit den Angehörige­n eines deutschen Opfers auch schon abschließe­nd geeinigt und gezahlt.«

Giemulla, der nach eigenen Angaben 125 Angehörige vertritt, will nun die Reißleine ziehen: »Wir kommen in Deutschlan­d auf keinen grünen Zweig. Deswegen gehen wir raus aus Deutschlan­d nach Amerika und haben auch schon eine Kanzlei gefunden.« Die Verhandlun­gen könnten noch ein Jahr dauern. Gebe es kein Ergebnis, werde geklagt.

Den Ermittlern zufolge hat Copilot Andreas Lubitz die A320 absichtlic­h auf Crashkurs programmie­rt. Was da in ihm vorging, wird wohl nie ganz geklärt werden. Nach der vorläufige­n Bilanz der deutschen Ermittler hat die Katastroph­e einen Verantwort­lichen: den Copiloten. Es gab Hinweise auf einen beunruhige­nden Zustand des Patienten Lubitz. Doch keiner der von ihm konsultier­ten Ärzte hatte ihm eine Depression oder gar Suizidalit­ät bescheinig­t.

Nach seiner schweren Depression 2008/2009 hing Lubitz’ Fluglizenz, das wusste er, am seidenen Faden. Ein Rückfall, der seinem Arbeitgebe­r bekannt wird, hätte das berufliche Aus bedeutet. Seine vermeintli­chen Sehstörung­en, seine Angst zu erblinden – das könnte Teil einer Depression gewesen sein, oder aber, wie seine Hausärztin vermutete, Symptome einer drohenden Psychose. In dem Fall könnte Lubitz nach strafrecht­lichem Maßstab vermindert schuldfähi­g oder schuldunfä­hig gewesen sein: als Opfer einer wahnhaften Erkrankung, mit der er zwar ein Flugzeug steuern konnte, aber nicht mehr sich selbst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany