VW: Ingenieure gestehen, Mitwisser nicht
Abgasmanipulationen erreichen die Gerichte und den US-Kongress
Wolfsburg. Im Abgas-Skandal bei Volkswagen gestanden einem Zeitungsbericht zufolge mehrere Mitarbeiter Manipulationen. Die Ingenieure hätten bei Befragungen ausgesagt, 2008 die Schadsoftware installiert zu haben, berichtete »Bild am Sonntag« unter Berufung auf die interne Revision bei VW. Der Konzern kommentierte das nicht.
In Deutschland drohen VW weitere Prozesse. So hat ein Privataktionär aus Baden-Württemberg beim Landgericht Braunschweig Schadenersatz-Klage eingereicht. Die US-Umweltbehörde EPA, die den Skandal öffentlich gemacht hatte, kündigte neue Tests an. An diesem Dienstag spricht der neue VW-Chef Matthias Müller in Wolfsburg erstmals zu den Beschäftigten, tags darauf steht die nächste Krisensitzung des Aufsichtsrates auf dem Programm. Am Donnerstag muss der US-Chef von VW, Michael Horn, im US-Kongress Rede und Antwort stehen.
»Ich hoffe, dass VW jetzt schnell die notwendige Transparenz herstellt und die Dinge aufarbeitet«, sagte Angela Merkel dem Deutschlandfunk. Die vor gut zwei Wochen bekanntgewordene Affäre um manipulierte Abgas-Tests bei Dieselfahrzeugen sei »natürlich ein einschneidendes Ereignis, das nicht gut ist«, erklärte die Kanzlerin. Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge betroffen. Nach einem Bericht der »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« geht der VW-Aufsichtsrat von einem weit größeren Kreis an Mitwissern aus als bisher angenommen. »Die These, alles sei nur das Werk von ein paar kriminellen Entwicklern, ist nicht haltbar«, zitierte das Blatt aus dem Kontrollgremium. Der Konzern habe »systematisch Kunden und Behörden getäuscht«.
Die spanische Regierung will staatliche Fördergelder von Volkswagen zurück haben. Nach Angaben der VW-Tochter Seat sind 683 626 Wagen im Land vom Abgasskandal betroffen.
José Manuel Soria, der spanische Industrieminister, spricht von Betrug. Seine Regierung habe Fördergelder für schadstoffarme und energieeffiziente Autos gewährt, weshalb die Verbraucher und die Regierung betrogen worden seien. Soria bezifferte die Höhe der Förderung pro Auto mit etwa 1000 Euro.
Das Geld wurde nicht nur für SeatModelle bezahlt, sondern auch für andere Modelle aus dem VW-Konzern, die in Spanien ihre Besitzer fanden – insgesamt waren es 257 479 VW-Autos. Dazu kamen 221 783 von Seat und der Rest waren Audi oder Skoda. Der Handel mit den manipulierten Fahrzeugen ist jetzt gestoppt worden. »Sie dürfen nicht mehr in Spanien verkauft werden«, erklärte Soria und er will auch Schadensersatz von Volkswagen fordern. Es
könnten deshalb auch in Spanien hohe finanzielle Forderungen auf den Konzern zukommen.
Der Industrieminister beklagte auch die Intransparenz. »Wir haben zusätzliche Dokumentationen angefordert«, erklärte Soria. Techniker sollen feststellen, ob Autos betroffen sind, auf deren Abgaswertebasis die Subventionen gewährt wurden. Nach der Kritik des Ministers versucht VW derweil, die Verbraucher im Land darüber aufzuklären, ob sie über einen der manipulierten Wagen verfügen. Am vergangenen Samstag wurde zunächst ein Servicetelefon geschaltet. Doch der Ansturm war derartig umfangreich, dass die Kunden mit extremen Wartezeiten verärgert wurden. Deshalb wurde eine Webseite eingerichtet, auf der Käufer von VW-Autos über die Eingabe der Fahrgestellnummer feststellen können, ob sie betroffen sind. Die Kunden von Seat-, Audi- oder Skoda-Modellen, müssen sich weiter am Telefon gedulden.
Derweil hat die Verbraucher-schutzvereinigung Facua eine landesweite Plattform ins Leben gerufen, der sich in fünf Tagen schon mehr als 11 000 Betroffene angeschlossen haben und Anwaltskanz- leien bereiten Sammelklagen vor. Facua will aber auf verschiedensten Ebenen vorgehen. Die Vereinigung verweist auf den »schweren Betrug«, dessen sich der Konzern über ein Jahrzehnt schuldig gemacht hätte. Die Verbraucherschützer sprechen von einem »Anschlag auf die Umwelt und die Gesundheit der Verbraucher«.
Facua will sich auch an die nationale Wettbewerbsbehörde und an die Wettbewerbshüter in den Autonomen Gemeinschaften wenden, die hohe Strafen verhängen können. Dort läuft sie offene Türen ein. Die Präsidentin der nationalen Behörde, Elvira Rodríguez, spricht bei der Manipulation der Schadstoffwerte von kriminellen Akten. »Ich glaube, das Vorgehen von Volkswagen ist mehr als ein Delikt«, sagte sie. Verbraucherschützer planen auch privatrechtliche Klagen, denn sie befürchten, dass geplante Nachbesserungen zu deutlichen Leistungseinbußen führen oder den Kraftstoffverbrauch erhöhen könnten. Dem könnten sich die Verbraucher verweigern und ei- ne entsprechende Entschädigung fordern, wenn die Fahrzeuge nicht mehr die versprochenen Charakteristiken aufwiesen.
Doch VW droht jetzt nicht nur finanzielles Ungemach, denn ein Richter am Nationalen Gerichtshof der spanischen Hauptstadt Madrid lässt gerade klären, ob er für die Manipulationen zuständig ist. Das Sondergericht behandelt nur schwere Verbrechen wie Terrorismus, orga- nisierte Kriminalität und ähnliches. Bei Ismael Moreno ist eine Anklage gegen Manager der VolkswagenGruppe wegen Umweltvergehen, Urkundenfälschung, Betrug und Steuerhinterziehung eingegangen.