Dr. Hanning von der Volkshochschule
Wie ein Ex-Geheimdienstchef »Need to know« verinnerlicht und der BND US-Agenten an Flüchtlinge heranließ
Der NSA-Untersuchungsausschuss befragte August Hanning. Der ist nicht nur alter Geheimdienstfuchs, er ist auch erfahren als Zeuge vor Untersuchungsausschüssen. Resultat: Nichts Genaues weiß man nicht.
August Hanning (69), Jurist, hoch aufgeschossen, einst Geheimdienst-abteilungsleiter im Kanzleramt, dann BND-Chef, anschließend Staatssekretär im Innenministerium, wirkt stets korrekt. Seine leicht genuschelten Sätze haben immer Anfang und Ende, zumeist aber keinen oder nur wenig Inhalt. Das Geheimdienstprinzip »Need to know«, also nur das zu wissen und weiterzusagen, was notwendig ist, scheint seiner Natur zu entsprechen. Und so blieb das, was Hanning am Freitag über die Zusammenarbeit von BND und NSA im umfangreichsten aller bisher bekannten Spionageskandale aussagte, auf dem Ni- veau eines Einführungsvortrages in der Volkshochschule.
Nur einmal musste Hanning – wider seine Natur – grinsen. Die Frage, so meinte er wohl, sei aber auch zu naiv. Sie lautete: Gehen Sie denn davon aus, dass der US-Geheimdienst NSA auch deutsche Firmen ausspähte, wollte die Linksfraktions-Obfrau Martina Renner wissen. »Dass die NSA auch deutsche Ziele ausspähe, ist bekannt«, meinte der Zeuge. Hanning wählte nicht einmal den Perfekt. Und das, so ließ er durchblicken, habe sein Dienst auch nicht anders gehalten. »Natürlich verletzten wir das Recht.« Renner stutzte, der »Gastdozent« erklärte: »Die NSA hält sich an die amerikanischen Gesetze. Der BND hält sich an die deutschen Gesetze.«
Wenn das mal so wäre. Im Kanzleramt liegt eine vor dem Untersuchungsausschuss geheim gehaltene Liste mit rund 40 000 Selektoren. Diese Suchbegriffe hatte die NSA über BND-Abfangeinrichtungen laufen las- sen. Doch zumindest diese 40 000 verstoßen – wie die Führung des deutschen Dienstes wohl erst im März 2015 merkte – gegen deutsche Interessen. So war das im Dokument der Zusammenarbeit zwischen NSA und BND, das Hanning unterzeichnet hatte, nicht vorgesehen.
Abhören unter Freunden, das gehe doch gar nicht, zitierte Renners Kollege Konstantin von Notz, er vertritt die Grünen, einen Satz der Kanzlerin von 2013. Ist das naiv?, fragte Notz. Hanning wollte den Satz »nicht kommentieren«. Aber er bedauerte das allzu offene deutsche Kommunikationsverhalten. »Wer mit offenen Handys kommuniziert, der muss wissen, was er tut.«
Bereits am Vortage wollten die Abgeordneten wissen, ob der BND direkt Informationen für US-KillerDrohnen-Missionen geliefert hat. Das, was dabei heraus kam, ist ein Fall für die Justiz. Bis zum Juni 2014 hatte der BND eine »Hauptstelle für das Befra- gungswesen« (HBW). Pro Jahr wurden von 50 Analysten rund 300 Flüchtlinge und Asylbewerber ausgehorcht. Ziel sei die »Informationsgewinnung zu zentralen Fragen« gewesen, erläuterte die einstige Chefin, Frau K. Man interessierte sich für die Versorgungslage, fragte nach Brotpreisen. Die Handynummer oder andere Kontaktdaten wie E-Mails dagegen hätten »nicht im Zentrum« gestanden. Doch diesen »Beifang« gab es. Und dann der »Knaller«. Neben den BND-Agenten hätten in der HBW mindestens zehn Agenten des US-Militärgeheimdienstes DIA gearbeitet und die Schutzsuchenden ausgequetscht. Doch hätten die DIA-Leute die Schutzsuchenden immer »im Team mit BNDMitarbeitern befragt, sagte Frau K. Um dann anzumerken, dass dieses Prinzip »in personeller Hinsicht nicht durchzuhalten« gewesen sei. Zudem hätten die US-Kollegen bisweilen Fragen in Sprachen gestellt, die die BNDBeisitzer überforderten.