Kuhhandel mit Kohlendioxid
Schwedische Studie bescheinigt dem Austausch von Emissionszertifikaten verheerende Wirkung auf das Klima
Mit Joint Implementation (JI) sollten zwischen den Industrieländern Projekte zur Reduktion treibhausschädlicher Gase durchgeführt werden. Warum funktionierte dieser Mechanismus nicht?
Die Anerkennung von JI-Projekten kann auf zweierlei Weise erfolgen: entweder werden sie im jeweiligen Land (also staatlich) bewilligt, in dem diese Projekte auch durchgeführt werden, oder sie werden von einer eigens dafür eingerichteten UN-Kontrollbehörde geprüft. Der geringste Teil, gerade einmal drei Prozent der Zertifikate, wurden von der UN geprüft. Dadurch blieb es im Ermessen der Mitgliedsstaaten und ist abhängig von der Kompetenz nationaler Behörden, wie sie Projekte bewerteten und welche sie letztlich bewilligten. Es wurden zu viele schlechte und unwirksame Projekte bewilligt.
Während ein JI-Zertifikat der Reduktion einer Tonne CO2 entspricht, stellen Kyoto-Zertifikate Emissionsrechte dar. Jedes KyotoZertifikat ermöglicht dem Besitzer den Ausstoß einer Tonne CO2. Welche Länder waren ursächlich am Werteverfall der Emissionszertifikate beteiligt?
Die meisten JI-Zertifikate haben Russland und die Ukraine auf den Markt geworfen. Diese wurden von EU-Mitgliedsstaaten und Firmen im Emissionshandelssystem gekauft. Anstatt die EU-Reduktionsziele umzusetzen, wurde versucht, sie durch den Zertifikate-Handel zu kompensieren. Von der Ukraine und Russland kamen 90 Prozent der Zertifikate. Diese beiden Länder hatten sich unter dem Kyoto-Abkommen sehr schwache Ziele gesetzt. Auf diese Weise kamen sie in den Besitz von Milliarden überschüssiger Kyoto-Zertifikate. Ursprünglich sollten internationale Regeln des Kyoto-Protokolls vor fragwürdigen Zertifikaten schützen. Beispielsweise, indem Vertragsländer für jedes von ihnen ausgestellte JI-Zertifikat eines ihrer Kyoto-Emissionszertifikate löschen. Unsere Studie zeigt, dass mehr als 95 Prozent aller Joint-ImplementationZertifikate von Ländern kamen, die erhebliche Überschüsse an KyotoZertifikaten hatten. Stellen diese Länder JI-Zertifikate aufgrund fragwürdiger Klimaschutzprojekte aus, müssen sie die verloren gegangenen Kyoto-Zertifikate nicht durch mehr Klimaschutz kompensieren, sondern können einfach von ihrem gewaltigen Überschuss profitieren.
So gelangen Zertifikate für schlechte Klimaschutzprojekte massenhaft in den Umlauf und verhindern eine reale Reduktion des CO2-Ausstoßes. Sind das nicht Regelverstöße?
Natürlich könnte man den beiden Gastländern vorwerfen, dass sie schlechte Projekte bewilligt haben, bevor sie diese schlecht oder gar nicht geprüft haben. Da es aber keine klaren internationalen Regeln gab, konnten auch keine verletzt werden. Allen beteiligten Ländern war von Anfang an klar, auf welchen Kuhhandel sie sich da eingelassen haben. Denn sie ließen zu, dass sich einige von ihnen Ziele setzen konnten, die ihnen weit mehr Emissionen erlaubten, als sie in Wirklichkeit ausstießen. Weil aber dadurch das Kyotoprotokoll in Kraft treten konnte (dafür brauchte man Russland) haben die Länder eingewilligt und dieses Spiel mitgespielt. Für die EU wurde es dadurch billiger, die CO2-Ausstoßziele einzuhalten und der russische und ukrainische Staat profitierten insofern, als dass in diesen Handel die nationalen Banken involviert waren.
Mit der neuen Verpflichtungsperiode, die 2013 begann, sollte der Handel mit Emissionszertifikaten tatsächlichen Klimaschutzzielen dienen. Wie sieht es bislang damit aus?
Bisher ist die Nachfrage sehr niedrig, weil für die Zeit bis 2020 die Klimaschutzziele zu niedrig angesetzt sind. Die verabredeten Ziele könnten schon mit eingekauften Zertifikaten und durch die Wirtschaftskrise erreicht werden. In der Verpflichtungsperiode bis 2012 entstand nicht nur ein ökonomischer Schaden, weil Geld für Zertifikate ausgegeben wurde, die nichts wert sind. Es entstand auch ein ökologischer Schaden, weil Reduktionsziele – anders als behauptet – gar nicht eingehalten wurden. Insgesamt wurden dadurch 600 Millionen Tonnen CO2 mehr ausgestoßen.