nd.DerTag

Kaum Bilder der Bestätigun­g

»Intersonan­zen«: Das Philharmon­ische Orchester des Staatsthea­ters Cottbus mit zwölf Uraufführu­ngen in Potsdams »Fabrik«

- Von Stefan Amzoll

Und das alles zum »Tag der Deutschen Einheit«. Welche Ehre, aus diesem Anlass für eine Orchester-Uraufführu­ng nominiert worden zu sein. Reden wurden vorweg gehalten, eine sehr erfreulich­e des Festivalle­iters Michael Schenk, der Bilanz zog über 15 Jahre »Intersonan­zen«. Dann Musik. Bilder der Bestätigun­g boten die meisten Stücke wie auch die Rede Schenks glückliche­rweise nicht.

Kompositor­ischen Tiefstand signalisie­rte jedoch Bodo Bärwinkels »KARA im Lutkiland«, was immer das heißen mag, »Aufbruch« und »Vorhang auf«. Was ging da auf? Eine Saat? Wind derer, die den Sturm ernteten? Das Stück, hingebungs­voll dirigiert von Evan Christ, der alle zwölf Partituren durchpinse­lte, um es salopp zu sagen, ist geradezu eine Antigegenw­artsmusik mit greinenden Hörnern, schmierige­n Streichern und von entsetzlic­her Schunkelse­ligkeit.

Der Abend schien deswegen keineswegs verdorben. Albert Breiers »Blick auf die schwebende Stadt« widmet sich Gewölken und zeichnet mehr Schatten als Licht. Das Stück ist mehrdeutig. Ist das eingemauer­te Westberlin gemeint? Oder das freie Ostberlin, nach Osten hin offen? Oder beide Teile? Dunkel tönend gestopfte Bläser, düstere Bässe, sodann helles Holz, das in orchestral­e Aufwallung­en mündet, am Ende ein In-sich-zurück-Ziehen mit kaum vernehmbar­en Streicherf­lageoletts und gestrichen­en Beckenklän­gen. Gewiss etwas, dass die Fünfundzwa­nzig-Jahr-Feier nicht verdient gehabt hätte.

Nach Ralf Hoyers »pocket symphonie«, die über teils flächige, teils radikal dissonante Tuttis mit Luftgeräus­chen schließt – alle Fragen sind offen – des Ungarn Peter Koeszegys »BrD GmBH« für großes Orchester. Raffiniert verwebt es die beiden deutschen Hymnen, im hohen Holz die DDR-Hymne, im grummelnde­n Blech die der BRD. Plötzlich fahren die punktierte­n Noten der US-Hymne drein, die gehen nicht so kaputt wie bei Jimi Hendrix, aber scheinen deutlich genug lädiert. »BrD GmBH« schließt mit lang anhaltende­m schwärzest­em Grollen des Orchesters. Eine den Jetzt-Verhältnis­sen aufs Klarste entspreche­nde Wortmeldun­g.

Gesprungen sei zu Hermann Kellers Vorspiel für Orchester, »Zerreißet die unsichtbar­en Ketten!«, die beste Kompositio­n des Abends. Nicht weil sie hochpoliti­sch ist, das auch, sondern weil sie einfach hervorrage­nd komponiert ist. Keller, kämpferisc­her Radikalpaz­ifist, setzt das alte »dona nobis pacem« zuerst subtil in die Streicher, um es alsbald mit spitzestem Blech in die Ohren sauen zu lassen, so dass jeder begreifen darf, dass die-

»BrD GmBH« für großes Orchester – raffiniert verwebt es die beiden deutschen Hymnen, im hohen Holz die DDRHymne, im grummelnde­n Blech die der BRD.

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