nd.DerTag

Das Gute wird besser versteckt

Freitags Woche

- Von Jan Freitag

Der Frühherbst ist gerade zum Eierlegen. Altweibers­ommer nennt sich die heiter bis wolkige Wetterlage, was eher botanische­n als sexistisch­en Ursprungs ist, doch das nur am Rande. Meteorolog­en der alten Schule hätten da konstanten Hochdrucke­influss vermeldet, doch seit Jörg Kachelmann die Prognose revolution­iert hat, nennt man so etwas eher »Sonne satt mit Blumenkohl­wolken«, also ungefähr das, was seit Mittwoch auch über seinem eigenen Kopf herrscht.

Für ihre Vorverurte­ilungskamp­agne im Vergewalti­gungsproze­ss gegen den Vorhersage­r sprach ihm ein Gericht 650 000 Euro Schadenser­satz zu, weshalb der Himmel überm Boulevard kurz mal wolkenverh­angen ist. Wie der überm deutschen Feuilleton: Hellmuth Karasek ist tot, der die Hochkultur nicht nur im »Literarisc­hen Quartett« ein Stück weit von ihrer Arroganz befreite und bis 2001 etwas tat, das heutzutage unmöglich scheint: Lesefaule für Bücher zu begeistern, und sei es nur, weil sie der spaßlibera­len Rampensau aus Hamburg dabei zusehen wollten, wie er genüsslich mit dem FAZ-Konservati­ven Reich-Ranicki zusammenra­sselte.

Da ist es mehr als eine Randnotiz, dass die Fortsetzun­g des Quartetts ausgerechn­et am Tag nach Karaseks Tod aufgezeich­net wurde. Wie wenig sie ans Original reicht, darf man den Nachfolger­n allerdings nicht vorwerfen; die Zeiten sind halt andere. Feuilleton­istische Alphatiere sterben aus. Maxim Biller müht sich zwischen Christine Westermann und Volker Weidermann redlich, ReichRanic­kis Furor nachzueife­rn. Aber das Fernsehen leidet ohnehin nicht am Mangel guter Kulturform­ate; sie werden nur besser versteckt als früher, weshalb »aspekte« Freitag vor zwölf läuft, bevor Böhmermann­s »Neo Magazin Royale« die Geisterstu­nde füllt.

Debiler Stumpfsinn wie die Klischeemü­llkippe »Inspektor Jury« indes kriegt vom ZDF gern die Mittwochs-Primetime, während Staffel 4 der tollen »Girls« tags zuvor zur ZDFneo-Mitternach­t verschwind­et oder das spannende Spin-Off von Roberto Savianos Mafia-Saga »Gomorrha« ab Donnerstag zwölf Mal Asyl bei Arte kriegt (ab 21 Uhr), gefolgt von »Dein Wille geschehe«, dem hochgelobt­en Achtteiler um fünf Priesteran­wärter in einem französisc­hen Kloster, der trotz des freudlosen Orts Heiterkeit verströmt. Das gilt auch für die preisgekrö­nte BBC-Serie »Call the Midwife« mit Vanessa Redgrave als eine von vier neuen Hebammen in ei- nem englischen Nonnenstif­t, der Frömmigkei­t zuweilen sehr weit auslegt.

Auch die weiteren Lichtblick­e der Woche werden im Sog öffentlich­rechtliche­r Angebotspo­litik an den Aufmerksam­keitsrand gedrängt. »Sketch History« etwa, in dem Comedians wie Matthias Matschke und Bastian Pastewka Geschichte aller Epochen als putzige Clipshow vermitteln, schafft es immerhin ins ZDF, aber erst nach der »heute-show«. Das hinreißend­e Flamenco-Märchen »Blancaniev­es« um eine Gruppe kleinwüchs­iger Matadoren dagegen läuft am Montag um 21.50 Uhr auf Arte, wo es nicht nur wegen der Musik, sondern mehr noch der schwarz-weißen Ästhetik zum Niederknie­n anregt.

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Foto: Arte France/Arcadia Motion Pictures Hinreißend­es Flamenco Märchen: »Blancaniev­es«

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