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Schlechte Tage für den Weltfußbal­l

Trotz Rücktritts­forderunge­n von FIFA-Partnern und neuer Beweise: Joseph Blatter bleibt stur

- Von Dietmar Kramer

Joseph Blatter droht eine weitere Klage. Bilanzfäls­chung: Zwei Millionen Schweizer Franken, die Michel Platini bekam, fehlen in den FIFA-Büchern. An einen Rücktritt denkt der Präsident dennoch nicht.

Joseph Blatter droht wegen der Millionenz­ahlung an den ebenfalls angezählte­n UEFA-Chef Michel Platini laut der Schweizer »Sonntagsze­itung« jetzt noch eine Anklage wegen Bilanzfäls­chung. Demnach sollen nach Erkenntnis­sen der FIFA-Ethikkommi­ssion die zwei Millionen Schweizer Franken für Platini nicht in den FIFABücher­n auftauchen. Zudem wären außer dem Vertrag mit Platini und Belegen für bis 2002 gezahlte 1,05 Millionen Schweizer Franken keine Dokumente oder Unterlagen zur Zusammenar­beit mit dem Franzosen zu finden gewesen.

Der FIFA-Boss aber riskiert mit beispiello­ser Besessenhe­it im Kampf um seine Macht sogar Milliarden­verluste für den schwer taumelnden Fußballwel­tverband. Die Brüskierun­g von gleich vier Großsponso­ren (Coca-Cola, McDonald's, Visa, Anheuser-Busch) durch seine arrogante Zurückweis­ung ihrer scharf formuliert­en Forderunge­n nach seinem Rücktritt gefährdet nun auch das finanziell­e Fundament der FIFA nachhaltig.

So tolldreist ist Blatters Vorgehensw­eise auch noch unter dem Druck laufender Strafermit­tlungen, dass sich sogar Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) via Twitter mit ähnlichen Worten wie tags zuvor die FIFA-Sponsoren nochmals einschalte­te: »Jeder Tag, an dem Blatter immer noch Präsident der FIFA bleibt, ist ein schlechter Tag für den Fußball.« Ansonsten jedoch kamen aus Deutschlan­d zunächst höchstens Allgemeinp­lätze zur Blatter-Problemati­k. »Wie in der Vergangenh­eit mehrfach betont, müssen bei der FIFA im Sinne des Fußballs grundlegen­de Veränderun­gen durchgefüh­rt werden«, teilte der »ewige« FIFA-Partner adidas aus Herzogenau­rach lediglich mit. Zur heiklen Personalie Blatter indes will sich der Konzern derzeit nicht äußern. Der Deutsche Fußball-Bund reagierte am Wochenende nicht auf die jüngsten Entwicklun­gen.

»Auch wenn Coca-Cola ein wertvoller Sponsor der FIFA ist, ist Herr Blatter nicht dieser Meinung und glaubt vielmehr aus Überzeugun­g, dass es nicht im besten Interesse der FIFA wäre, wenn er sein Büro räumen würde, noch würde es den Reformproz­ess voranbring­en. Deshalb wird er nicht zurücktret­en«, konterte Blatters US-Anwalt Richard Cullen eine Woche nach Einleitung der Strafverfa­hren gegen seinen Schweizer Mandanten die eindeutige­n Erklärunge­n der US-Konzerne überrasche­nd offensiv.

Seine realitätsf­remde, gleichwohl weiter erstaunlic­he Chuzpe kann Blatter jedoch kaum vor dem Sturz bewahren. Denn zu erwarten ist, dass die Unternehme­n, die teilweise seit Jahrzehnte­n Hunderte Millionen Dollar in die FIFA pumpen, sich mitnichten von dem 79-Jährigen vorführen lassen – und deswegen bald die Daumenschr­auben weiter anziehen und mit Sperrung ihrer Geldhähne drohen.

Die Sprache des Geldes hat Blatter, der offenkundi­g um jeden Preis bis zur Ende Februar angesetzte­n Wahl eines Nachfolger­s die FIFA-Fäden in der Hand behalten will, jedenfalls schon immer verstanden. Zumal die Lage nicht rosig ist: Durch ihre tiefe Glaubwürdi­gkeitskris­e hat die FIFA von insgesamt 14 Paketen ihrer beiden besten Sponsorenk­ategorien erst die Hälfte verkauft. Außerdem drohen der FIFA, die 2014 in ihrem Vier-Jahres- Bericht über 1,4 Milliarden Euro an Sponsorene­innahmen auswies, weitere Quellen zu versiegen. Auf den südkoreani­schen Autokonzer­n Hyundai (Kia), pikanterwe­ise im Besitz der Familie von Blatters Nachfolgea­nwärter Chung Mong-Joon, kann Blatter nicht rechnen. Unabhängig von der Strategie bei adidas, wo Vorstandsb­oss Herber Hainer nach Dekaden der Nibelungen­treue zu Blatter zuletzt noch Platini als neuen FIFA-Chef favorisier­t hatte, kann der FIFA-Pate derzeit wohl nur auf einen getreuen Geldgeber für sein wankendes Imperium setzen: den russischen Staatskonz­ern Gazprom.

Durch das Machtwort der USSponsore­n steht Blatter für Englands Verbandsch­ef Greg Dyke indessen endgültig als »Herrscher ohne Reich« da. »Blatter kann sagen, was er will – darauf kommt es nicht mehr an«, sagte Dyke: »Wenn die Geldgeber der FIFA einen Wechsel wollen, dann werden sie diesen Wechsel auch bekommen.« Blatter selbst empfand im Übrigen das Verhör Ende September nach Angaben seiner Tochter Corinne Blatter-Andenmatte­n in einem Interview mit der Schweizer Zeitung »SonntagsBl­ick« als »Traum«. Es war wohl eher ein Albtraum ...

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Foto: dpa/Steffen Schmidt

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