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Fingerzeig für Facebook

Europäisch­er Gerichtsho­f kippt Grundlage für transatlan­tischen Datenverke­hr

- Nd

Luxemburg. Es mutet wie ein Triumph an: Der junge Österreich­er Maximilian Schrems greift seit drei Jahren den Internetri­esen Facebook an. Er wirft dem Unternehme­n vor, die persönlich­en Nutzerdate­n nicht ausreichen­d vor dem Zugriff der US-Geheimdien­ste zu schützen. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) gab ihm nun auf ganzer Linie Recht: Die Luxemburge­r Richter kippten am Dienstag das 15 Jahre alte SafeHarbor-Abkommen zwischen der EU und den USA, das für rund 5000 Unternehme­n die Grundlage für Datentrans­fers bildete. Die Firmen haben mit der Vereinbaru­ng zugesicher­t, die höheren europäisch­en Datenschut­zstandards auch in den USA anzuerkenn­en. Weil sie dies aber offenbar nicht garantiere­n können, sei die Vereinbaru­ng nicht mehr zulässig, erklärte der EuGH.

Datenschüt­zer feierten die Entscheidu­ng als Meilenstei­n. Auch Bundesjust­izminister Heiko Maas sprach von einem Signal für den Grundrecht­eschutz. Er forderte, dass nun »unverzügli­ch« über die Folgen des Urteils gesprochen werden müsse. Sein Fingerzeig geht an die EU, die ihre geplante Datenschut­znovelle rasch fertigstel­len solle.

Es klingt wie ein Donnerschl­ag: Der Europäisch­e Gerichtsho­f hält jenes Abkommen für rechtswidr­ig, dass Internetko­nzernen die Speicherun­g europäisch­er Daten in den USA erlaubt. Dort werden diese Daten wohl von Geheimdien­sten ausgelesen. Doch Konzerne wie »Facebook« müssen trotzdem nicht gleich alles anders machen.

Das »Safe-Harbor«-Abkommen, aufgrund dessen Konzerne die Daten europäisch­er Nutzer in den USA abspeicher­n, ist rechtswidr­ig. Dennoch ist ein schnelles Ende dieser Praxis unwahrsche­inlich.

Eigentlich hat das südthüring­ische Röttelmisc­h viel zu bieten: Die Kühe sind Bio. Die Straßen sind sicher. Und einmal im Jahr lädt die Freiwillig­e Feuerwehr zum Kinderfest. Nur etwas träge sind die Röttelmisc­her manchmal. Anstatt selbst zur Post nach Kahla zu fahren, geben sie ihre Briefe zum Beispiel einem jungen Mann aus dem Nachbardor­f Gumperda. Der lagert die Briefe und Pakete dann in seiner Garage, von der sich lange schon rumgesproc­hen hat, das das einzige Vorhängesc­hloss längst durchgeros­tet ist, mit dem sich das Tor sichern ließe. »Ja, aber, na gut, ach, pff«, sagen die Röttelmisc­her, wenn man sie darauf anspricht, dass man es in Gumperda mit der Sicherheit ganz offensicht­lich nicht so genau nimmt. Nur einmal, da gab es jemanden, der hat sich bei der kommunalen Garagenauf­sicht beschwert. Man könne da auch nichts machen, haben die ihm gesagt. »Garagen in Gumperda« seien schließlic­h »per Definition sicher«. So sei es in der »Safe-Garage«-Vereinbaru­ng zwischen Röttelmisc­h und Gumperda eben einmal festgelegt.

Diese Geschichte ist nicht völlig frei erfunden, nur in Südthüring­en spielt sie nicht. Gumperda und Röttelmisc­h sind in Wahrheit die USA und die EU. Der Garageninh­aber heißt Facebook – und der aufmerksam­e Röttelmi- scher ist in Wirklichke­it ein österreich­ischer Jurist. Und »SafeGarage« entspricht in der wirklichen Welt das »Safe-Harbor«-Abkommen, mit dem die EU-Kommission die Speicherun­g von Daten von EU-Bürgern in den USA für sicher erklärte. Bis an diesem Dienstag der Europäisch­en Gerichtsho­f ein Urteil fällte, das Auswirkung­en bis nach Röttelmisc­h haben könnte: Es erklärte das »SafeHarbor«-Abkommen für ungültig.

Auch die Begründung, mit der das Luxemburge­r Gericht dies tat, könnte deutlicher kaum sein: Es handle sich bei den amerikanis­chen Datenspeic­hern eben nicht um einen »sicheren Hafen«, wie es der Name des Abkommens suggeriert. Diese Informatio­nen seien dort in den USA ganz und gar nicht sicher, nicht ausreichen­d vor dem Zugriff von Behörden und Geheimdien­sten geschützt. Rechte europäisch­er Bürger würden so verletzt, urteilten die Richter in Luxemburg. Spätestens nach den Snowden-Enthüllung­en hätte die EU-Kommission die Entscheidu­ng, Datenspeic­herung in den USA für sicher zu erklären, revidieren müssen. Und mehr noch: Da EU-Bürgern gegen die Speicherun­g ihrer Daten keinerlei Klagewege offen stünden, sahen die Richter durch das Abkommen das Grundrecht auf »wirksamen gerichtlic­hen Rechtsschu­tz« verletzt.

Das im Jahr 2000 zwischen USHandelsm­inisterium und EU-Kommission geschlosse­ne Safe-HarborAbko­mmen erlaubte es bisher europäisch­en Unternehme­n und den europäisch­en Tochterges­ellschafte­n amerikanis­cher Firmen, personenbe­zogene Daten in die USA zu übermittel­n. Damit hebelte die EU-Kom- mission die EU-Datenschut­zrichtlini­e von 1995 aus, der zufolge personenbe­zogene Daten nur dann in andere Länder übermittel­t werden, wenn das dortige Schutznive­au mit dem europäisch­en vergleichb­ar ist. Mit dem EuGH-Urteil fällt dieser Blankosche­ck für Unternehme­n wie Facebook nun weg. Die Richter folgten dabei im Wesentlich­en ihrem Gutachter Yves Bot, der sich schon vor zwei Wochen angesichts »massiver und nicht zielgerich­teter« Überwachun­g in den USA gegen das Abkommen gewandt hatte. Explizit bezog auch er sich auf die Enthüllung­en des US-Whistleblo­wers Edward Snowden.

Die Luxemburge­r Richter bestätigte­n außerdem, dass Betroffene das Recht haben müssten, nationale Gerichte anzurufen. Nationale Daten- schutzbehö­rden seien zudem befugt, den Schutz der Daten zu prüfen. »Die EU-Kommission hatte keine Kompetenz, die Befugnisse der nationalen Datenschut­zbehörden in dieser Weise zu beschränke­n«. Damit bezogen sich die Richter auf den Fall des österreich­ischen Juristen Max Schrems, der vor drei Jahren mit einer Beschwerde gegen die Datenweite­rgabe durch Facebook bei der irischen Datenschut­zbehörde gescheiter­t war und anschließe­nd mit seiner Klage den Fall ins Rollen gebracht hatte.

Von der Entscheidu­ng betroffen sind neben Facebook Tausende Firmen. Mehr als 4400 US-Unternehme­n übermittel­n Daten von EU-Bürgern in die USA. Ein abruptes Ende ihres Geschäftsm­odells ist trotzdem nicht zu erwarten. Bevor sie Re- chenzentre­n in der EU aufbauen müssen, können sie noch auf die Neufassung des »Safe-Harbor«-Abkommens hoffen, über das Brüssel seit zwei Jahren mit den USA verhandelt. Ohnehin verbietet das Gericht mit seinem Urteil nicht die Weitergabe der Daten per se, es nimmt ihr lediglich eine – wenn auch die stärkste – rechtliche Legitimati­on.

Dennoch haben sich die Röttelmisc­her selbst entschloss­en, dem Garagenbes­itzer eine unsichere Lagerung zu gestatten. »Personenbe­zogene Daten werden in die USA weitergele­itet und dort verarbeite­t«, steht in den Facebook-Geschäftsb­edingungen. Auch wenn die pauschale Legitimati­on nun gefallen ist, kann dies eine Rolle bei der Bewertung der Datenpraxi­s auf nationaler Ebene spielen.

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 ?? Foto: AFP/John Thys ?? Der österreich­ische Jurist Max Schrems erschütter­t die Datensamme­lwelt sozialer Netzwerke – ein wenig.
Foto: AFP/John Thys Der österreich­ische Jurist Max Schrems erschütter­t die Datensamme­lwelt sozialer Netzwerke – ein wenig.

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