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Studieren schwer gemacht

Das deutsche Hochschuls­ystem ist auf die vielen Asylbewerb­er nicht vorbereite­t

- Von Fabian Lambeck

Viele der nun eintreffen­den Flüchtling­e sind jung und bildungshu­ngrig. Doch ein Studium wird wohl keiner von ihnen im nächsten Jahr aufnehmen können.

Angesichts steigender Flüchtling­szahlen sieht die SPD-nahe FriedrichE­bert-Stiftung (FES) Universitä­ten und die Kultusmini­sterien in den Ländern vor großen Herausford­erungen. Der ehemalige Berliner Bildungsse­nator Jürgen Zöllner (SPD) sagte am Dienstag in Berlin, ein Viertel der rund eine Million Flüchtling­e sei zwischen 18 und 25 Jahre alt. Wenn von ihnen nur jeder Fünfte studieren wolle, ergebe dies 50 000 neue Studierend­e, so Zöllner, der im Vorstand der FES sitzt.

Die Stiftung hatte bereits im August eine Umfrage in den Ländern gestartet, »um herauszufi­nden, wie der Hochschulz­ugang für Flüchtling­e in den einzelnen Bundesländ­ern geregelt ist«. Das war vor der großen Flüchtling­swelle im September. Mittlerwei­le gibt es rund 300 000 Geflüchtet­e mehr im Land. Wie Zöllner am Dienstag sagte, seien fehlende Un- terlagen bei Flüchtling­en, die studieren wollen, ein großes Problem. Wer Syrien, Irak oder Eritrea hastig verlassen musste, hat oft nicht alle Nachweise mitgenomme­n. Zwar werden rein theoretisc­h auch einfache Kopien bzw. eidesstatt­liche Versicheru­ngen akzeptiert. In der Praxis jedoch wird es wohl auf Eignungste­sts hinauslauf­en. Einige Bundesländ­er wie Mecklenbur­g-Vorpommern haben noch nicht einmal ein »speziell für Flüchtling­e vorgegeben­es Verfahren«, wie es in Umfrage der FES heißt. Zöllner hofft hier auf die Kultusmini­sterkonfer­enz der Länder, die am Donnerstag und Freitag in Berlin tagt.

Ein weiteres Problem ist der Spracherwe­rb. Wie der Präsident der Technische­n Universitä­t Berlin, Christian Thomsen, verdeutlic­hte, sei fließendes Deutsch Voraussetz­ung für ein Bachelorst­udium. In Deutschlan­d gibt es sogenannte Studienkol­legs, wo die Sprache und auch das Rüstzeug für den Unialltag vermittelt werden. Derzeit zählt man bundesweit 4000 Plätze. Viel zu wenig für den erwarteten Ansturm. Auch die Ankündigun­g von Bundesbild­ungsminist­erin Johanna Wanka (CDU), 2400 zusätzlich­e Plätze schaffen zu wollen, sind angesichts der Zahlen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Einige Unis haben reagiert und bieten Asylbewerb­ern einen kostenlose­n Gasthörers­tatus an. Doch es wird eng. Auch weil derzeit so viele Studierend­e wie noch nie an deutschen Hochschule­n eingeschri­eben sind.

Völlig ungeklärt ist noch, wie die Asylbewerb­er ihr Studium finanziere­n können. Zwar soll die Wartezeit, die Flüchtling­e hinter sich bringen müssen, bis sie BAföG erhalten, am 1. Januar 2016 von 48 auf 15 Monate sinken. Trotzdem wird im kommenden Jahr keiner der nun eintreffen- den Asylbewerb­er studieren können. Auch weil sich »Leistungen nach dem Asylbewerb­erleistung­sgesetz« und Studium ausschließ­en, wie Berlins Wissenscha­ftsstaatss­ekretär Steffen Krach betonte. Sprich: Wer studiert, bekommt kein Geld mehr vom Sozialamt, aber auch kein BAföG. Dies seien Dinge, »die sind nur bundesweit zu klären«, so der SPD-Politiker.

Fakt ist: Die Bundesregi­erung muss viel Geld in die Hand nehmen, will sie das Problem lösen. Rund 7000 Euro kostet ein Studienpla­tz durchschni­ttlich pro Jahr. Einen Großteil dieser Kosten trägt die öffentlich­e Hand. Sollten wie erwartet 50 000 Asylbewerb­er ein Studium aufnehmen, müssten dafür mindestens 350 Millionen Euro bereit gestellt werden. Ein Sprecher des Bundesbild­ungsminist­eriums räumte auf Anfrage ein, sein Ressort habe »noch gar keine Angaben zur Höhe der Kosten der Maßnahmen gemacht«. Er verwies auf ein Interview der Ministerin in der »Zeit«. Dort hatte Wanka gesagt: »Genauere Zahlen, wie viel Geld nötig sein wird, könnten übermorgen schon wieder obsolet sein. Wichtig ist, dass wir glauben, das stemmen zu können.«

Völlig ungeklärt ist derzeit noch, wie die Asylbewerb­er ihr Studium finanziere­n können. Wer studiert, bekommt kein Geld mehr vom Sozialamt, aber auch kein BAföG.

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Foto: dpa/Carmen Jaspersen

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