nd.DerTag

»Die Schwarze Null als Erkenntnis­bremse«

DGB fordert klare Voraussetz­ungen zur Integratio­n von Geflüchtet­en in den Arbeitsmar­kt

- Von Jörg Meyer

Flüchtling­e dürfen keine Beschäftig­ten zweiter Klasse werden. Der DGB fordert effiziente Strukturen, Geld und Personal bei der Erfassung oder Bildung. Die Gewerkscha­ften müssen »Haltung zeigen«.

Die Bundesregi­erung »darf das Klima des Willkommen­s nicht kaputtrede­n!«, sagte Reiner Hoffmann am Dienstag in Berlin. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) und sein Vorsitzend­er rufen dazu auf, in der Unterstütz­ung für Flüchtling­e nicht nachzulass­en. Nötig sei »praktische Unterfütte­rung«, und da stehe die Politik in einer großen Verantwort­ung.

Die EU-Mitgliedst­aaten müssten, »Flüchtling­e als europäisch­e Aufgabe« begreifen, sagte Hoffmann weiter. »Wir brauchen auch eine Diskussion über die Fluchtursa­chen«, sagte Hoffmann weiter. »Gucken Sie auf die unhaltbare­n Zustände in den Herkunftsl­ändern vieler Flüchtling­e.« Das-Boot-ist-voll-Diskussion­en oder Diskussion­en um »Grenzen hoch« werde es aber mit europäisch­en Gewerkscha­ften nicht geben.

Zur Integratio­n gehört nach Ansicht der Gewerkscha­ft zwingend die Integratio­n in den Arbeitsmar­kt. »Jede Arbeitnehm­erin und jeder Arbeitnehm­er haben das Recht auf gute Arbeit, mit gleichen Löhnen für gleiche Arbeit.« Ausnahmen für Flüchtling­e beim Mindestloh­n, bei Praktika oder bei der Qualifizie­rung seien mit den Gewerkscha­ften nicht zu machen, sagte DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach. Wichtig seien ein schneller Spracherwe­rb, zügige Anerkennun­g von Abschlüsse­n sowie ein unkomplizi­erter Zugang zum Arbeitsmar­kt. Doch schon bei der Sprachförd­erung hapere es, kritisiert­e Buntenbach. Zwar bietet die Bundesagen­tur für Arbeit Kurse für bis zu 100 000 Flüchtling­e an – aber nur, wenn die Kurse 2015 beginnen.

Konkret heißt das, es fehlt Geld, eine Menge Geld, aber »die Schwarze Null wirkte da wieder als Erkenntnis­bremse«, sagte Buntenbach. Sie meint damit den von Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) angestrebt­en ausgeglich­enen Bundeshaus­halt ohne jegliche Neuverschu­ldung. »Man muss aber jetzt investiere­n, um Verwerfung­en in der Zukunft zu vermeiden.«

Beispielsw­eise in Bremen gaben die Volkshochs­chule und der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband kürzlich bekannt, dass aufgrund von Mittelkürz­ungen seit 2014 nur »de facto eine Handvoll Plätze« in berufsbezo­genen Deutschkur­sen zur Verfügung stünden. Für Ende 2015 sei mit Wartezeite­n von bis zu einem Jahr zu rechnen, weil die Kapazitäte­n von Integratio­nssprachku­rsanbieter­n »nicht den aktuellen Gegebenhei­ten angepasst sind«.

Ein anderes Problem sei die langsame Anerkennun­g von bereits erzielten Abschlüsse­n. »Wenn ein Mechatroni­ker erst mal als Packer arbeiten muss und eine Ärztin als Putzfrau, dann haben wir verloren.«

Mögliche Änderungen an den neuerliche­n Asylrechts­verschärfu­ngen, die in der nächsten Woche vom Bundestag und Bundesrat verabschie­det werden, müsse man »realistisc­h betrachten«, sagte Reiner Hoffmann. Angesichts des strammen Zeitplanes sei da wohl nichts mehr zu machen. Der Gesetzentw­urf sieht eine Ausweitung der Liste sogenannte­r sicherer Drittstaat­en, eine Einschränk­ung sozialer Leistungen für Flüchtling­e und deren erleichter­te Abschiebun­g vor. Aber man werde sich weiter bemühen und auf Änderungen drängen sagte Hoffmann. Die Gesellscha­ft dürfe in ihren Bemühungen nicht nachlassen und müsse »Haltung zeigen«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany