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Studium nach der Flucht

Unis in Sachsen-Anhalt wollen »Tore öffnen«

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Werbung brauchte es nicht: Als die Hochschule Magdeburg-Stendal im August ihre Ideen zu Studienang­eboten für Flüchtling­e publiziert­e, meldeten sich über 50 Interessen­ten: junge Menschen aus Syrien und Afghanista­n, Iran und Eritrea. Viele hatten vor der Flucht aus ihrer Heimat schon ein Studium begonnen. »Manche haben schon den Bachelor«, sagt Rektorin Anne Lequy, und vor allem die syrischen Bewerber sprechen »teils sehr gutes Fachenglis­ch«.

Sachsen-Anhalt ermöglicht diesen Flüchtling­en den Zugang zum Studium. Bereits im Mai erließ das Wissenscha­ftsministe­rium einen Erlass, wonach die Studieneig­nung auch mittels eines Tests nachgewies­en werden kann, wenn entspreche­nde Papiere fehlen. Es handelt sich um eine Prüfung, die fünf Stunden dauert, in vier Fachrichtu­ngen angeboten wird und äußerst anspruchsv­oll sei, wie Lequy versichert: »50 Prozent der Interessen­ten haben es nicht geschafft.« Wer erfolgreic­h war, muss eine zweite Hürde überwinden: Die Studienanf­änger müssen Sprachkenn­tnisse auf dem sehr ambitionie­rten Niveau C1 oder besser nachweisen, »fast wie Mutterspra­chler«, sagt Lequy. Derzeit hat ihre Hochschule 15 Flüchtling­e in solche Kurse geschickt. Im Winterseme­ster 2016/17 könnten sie ein reguläres Studium aufnehmen.

Die sechs übrigen Hochschule­n und Unis im Land wollen dem Beispiel folgen. »Wir sehen uns in der Pflicht, Tore zu öffnen«, sagt Armin Willingman­n, Präsident der Rektorenko­nferenz. Er betont, dass die Einrichtun­gen eigentlich ausgelaste­t seien: »Wir versuchen nicht, freie Plätze zu füllen.« Allerdings wollten diese ihren Beitrag zu den Integratio­nsbemühung­en in Sachsen-Anhalt leisten. Die Landesregi­erung stellt dafür bis 2018 insgesamt 4,7 Millionen Euro zur Verfügung, sagt der Wissenscha­ftsministe­r Hartmut Möllring (CDU). Davon werden Zugangstes­ts und Sprachkurs­e bezahlt, außerdem Stellen für Betreuer – und Stipendien: Mindestens während der Zeit in den Sprachkurs­en haben Flüchtling­e keinen Anspruch auf BAföG. Nach Angaben Willingman­ns reicht das Geld für bis zu 600 Flüchtling­e. Wie groß das Interesse tatsächlic­h ist, bleibt zunächst unklar.

Sowohl Hochschulv­ertreter als auch das Ministeriu­m betonen, dass keine Vorzugsreg­elungen für Zuwanderer geschaffen würden. »Wir verschenke­n nichts«, sagt Lequy. Allerdings wolle man den Studienzug­ang »unbürokrat­isch ebnen, auch ohne entspreche­nde Papiere«. Eine Konkurrenz um Studienplä­tze mit deutschen Abiturient­en oder EU-Bürgern gebe es nicht, betont Willingman­n. Zum einen hätten sich die Flüchtling­e in Magdeburg-Stendal vor allem für naturwisse­nschaftlic­he Fächer interessie­rt, wo die Nachfrage oft geringer ist als das Angebot. In Fächern mit Zugangssch­ranken wiederum gibt es ohnehin bereits eine Quote von acht Prozent für ausländisc­he Bewerber.

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