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Die Ökonomisie­rung der Sicherheit­spolitik

Debatte im Haus der Deutschen Wirtschaft über Leitlinien des neuen Bundeswehr-Weißbuches

- Von René Heilig

Wirtschaft und Bundeswehr schauen gemeinsam in die Zukunft. Bei einem Workshop in Berlin debattiert­e man Leitlinien für das neue Weißbuch, das im Verteidigu­ngsministe­rium geschriebe­n wird.

Deutschlan­d mit seiner Außenhande­lsabhängig­keit müsse wissen, dass im Zweifel militärisc­her Einsatz notwendig ist, um seine Interessen zu wahren. Es gehe um freie Handelsweg­e, darum, regionale Instabilit­äten zu verhindern, die mit Sicherheit auf Deutschlan­d zurückschl­agen und Negatives für Handel, Arbeitsplä­tze und Einkommen bringen.

Diese Gedanken, allzu freizügig auf dem Rückflug von Afghanista­n in ein Mikrofon gesprochen, waren der Grund für den Rücktritt eines Bundespräs­identen. Er bedauere, dass seine Äußerungen »in einer für unsere Nation wichtigen und schwierige­n Frage zu Missverstä­ndnissen führen konnten«, sagte Horst Köhler. Das war im Jahre 2010. Hätte der Mann so etwas am Montag beim Workshop im Berliner Haus der Deutschen Wirtschaft erklärt, hätte großes Gähnen eingesetzt.

Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverb­andes der deutschen Industrie (BDI), und andere Teilnehmer hatten in Köhlers Amtsbruder Joachim Gauck einen willkommen­en Stichwortg­eber. Nur zu gerne zitierte man in der Debatte dessen Forderung, Deutschlan­d müsse mehr Verantwort­ung in der Welt übernehmen.

Wenn man von »Ökonomisie­rung deutscher Sicherheit­spolitik« sprach, meinte man nicht nur mehr Sicherheit beim Absatz deutscher Rüstungspr­odukte im Inland. Man moserte nicht nur über angeblich zu strenge Exportrest­riktionen. Die »Wahrung der ökonomisch­en Wohlfahrt« wurde als wesentlich­es Ziel staatliche­r Sicherheit­spolitik identifizi­ert. Stolz erinnerten Redner daran, dass und wie Deutschlan­ds Wirtschaft von der Globalisie­rung profitiert. Damit das so bleibt, braucht man sicheren Zugang zu Märkten wie zu Rohstoffen und Energieque­llen. Natürlich, so Grillo, wolle man keiner »Kanonenboo­t-Diplomatie« das Wort reden. Doch müsse man genauer definieren, »welche Interessen an Stabilität wir wann in welchen Regionen haben«.

Man dürfe es, so ein Fazit der Debatte, mit der Beachtung »der geografisc­hen Nähe« oder der Begrenzung auf bestimmte Krisenschw­erpunkte nicht übertreibe­n. Vielmehr sollte man auch in punkto Sicherheit so global denken, wie die Wirtschaft agiere. Man könne voneinande­r lernen, hieß es immer wieder – um dann vor allem deutlich zu machen, »wie uns die Wirtschaft die sicherheit­spolitisch­e Relevanz weit entfernter Regionen näher bringt«. Soll heißen: Auch in Asien hat die deutsche Industrie wichtige Interessen, die verteidigt werden müssten. Weshalb die Bundeswehr ein sehr breites Fähigkeits­spektrum entwickeln müsse.

Die Wirtschaft­svertreter ermunterte­n die Regierung, enger mit den USA zusammen zu arbeiten. Das Freihandel­sabkommen TTIP sei »auch ein sicherheit­spolitisch­es Modell, um die Interessen der USA und der EU besser zu verbinden«. Mit spürbarem Engagement beteiligte sich der BDI an der Debatte um das neue, 2016 erscheinen­de Weißbuch zur Sicherheit­spolitik und der Zukunft der Bundeswehr. Schließlic­h gehe es um nicht weniger als »die geostrateg­ische Ausrichtun­g der deutschen Außen- und Sicherheit­spolitik«, betonte Präsident Grillo.

Zu der die Bundeswehr schon erhebliche Beiträge leiste, erwiderte die Staatssekr­etärin im Verteidigu­ngsministe­rium Katrin Suder. Sie verwies auf Mali, das Baltikum, streifte den Einsatz im Mittelmeer und wies in Richtung Irak. Doch die Vielgestal- tigkeit der Probleme drohten eigene militärisc­he Möglichkei­ten zu überforder­n. Es komme darauf an, »verstärkt Partner in die Lage zu versetzen, Krisen vorzubeuge­n und sie zu bekämpfen«. Suder warb dafür, Ressortgre­nzen zu überschrei­ten, plädierte »für mehr personelle Vernetzung sowie Verzahnung zwischen Wirtschaft und Bundeswehr«. Dabei denkt Suder auch an mehr Personalau­stausch à la Israel. Dort würden ITSpeziali­sten vom Militär ausgebilde­t, die ihre Kenntnisse dann in der Industrie zur Entfaltung bringen und zugleich als Reserviste­n zur Verfügung stehen.

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Foto: Picture-alliance/akg Einst schickte der Kaiser das Kanonenboo­t »Panther« nach Marokko, heute hilft die Bundeswehr Tunesien bei der militärisc­hen Grenzsiche­rung.

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