nd.DerTag

Muslime auf Merkels Stuhl

Eine neue Organisati­on betritt die Bühne der islamische­n Interessen­vertretung­en

- Von Fabian Köhler

Rechtliche Gleichheit mit den christlich­en Kirchen fordern muslimisch­e Vereine – doch so einfach ist das gar nicht. Es fängt schon mit der großen Zahl der Muslim-Verbände an. Und es werden mehr.

Es ist komplizier­t mit den islamische­n Interessen­vertretung­en in Deutschlan­d. Eigentlich wollen sie den vier Millionen Muslimen zu Gehör und Rechten verhelfen; islamische Verbände den christlich­en Kirchen gleichstel­len; für Gebetsräum­e und Imame sorgen; helfen, das Image und die Integratio­n von Muslimen zu verbessern. In der öffentlich­en Debatte geht es aber immer um ganz andere Fragen: Wer hat den größeren Mitglieder­stamm? Wer bekommt woher seine Gelder? Wer darf für die Mehrheit der Muslime sprechen, die gar nicht in Vereinen organisier­t sind? Wer kann sich mit dem Label »liberal« schmücken und wer gilt als konservati­v. Und wieso darf immer nur Aiman Mazyek im Fernsehen neben Angela Merkel stehen? Mazyek ist Vorsitzend­er des Zentralrat­es der Muslime, einer der deutschen Dachverbän­de.

Ein Player mit ganz eigenen Antworten hat am Freitag das hart unkämpfte Feld der islamische­n OrgaSzene betreten: das »Muslimisch­e Forum Deutschlan­d«. Und zumindest auf den selben Stühlen wie sonst Angela Merkel durften seine beiden Repräsenta­nten schon einmal in der Bundespres­sekonferen­z Platz nehmen. So unbedeuten­d der nur ein paar Dutzend Mitglieder umfassende Verein bisher auch war, so prominent sind seine Gesichter. Der eine, der Münsterane­r Professor Mouhanad Khorchide, ist so etwas wie der aktuelle Popstar der islamische­n Theologie. Den anderen, Initiator des Forums, Ahmad Mansour, ken- nen Fans des Öffentlich­en-Rechtliche­n Fernsehens als beliebten Diskussion­spartner zu Salafismus und muslimisch­em Antisemiti­smus. Mitgebrach­t hatten beide neben »17 Berliner Thesen« einen Beitrag zur Flüchtling­sdebatte.

So warnten sie etwa davor, dass ein Mangel an staatliche­r Betreuung für Flüchtling­e salafistis­chen Helfern die Tore öffne. »Anfällig werden diese Menschen, wenn sie im Stich gelassen werden. Und anfällig werden sie, wenn wir sie nicht nachhaltig betreuen, ihnen die Mehrheitsg­esellschaf­t nicht positiv zeigen,« sagte Mansour. Sorgen gegenüber muslimisch­en Flüchtling­en müssten ernstgenom­men werden. Kritische Haltungen gegenüber dem Islam würden tabuisiert.

Nicht ungewöhnli­ch klingt das vom Pult der Bundespres­sekonferen­z, als Schwerpunk­t der Arbeit einer muslimisch­en Interessen­vertretung ist es dennoch ein Novum. Und auch die übrigen Thesen erweckten den Eindruck, das »Muslimisch­e Forum« vertrete weniger Muslime ge- genüber dem deutschen Staat als den deutschen Staat gegenüber Muslimen. Die Schlagwört­er: »Selbstbest­immungsrec­ht der Frauen«, »Kopftuch«, »Schwimmunt­erricht«, »Sexualkund­e«, »religiös motivierte Gewalt«, »Trennung von Kirche und Staat«, »Grundgeset­z«.

Im April hatte sich die Gruppe aus überwiegen­d intellektu­ellen und prominente­n Muslimen und einigen Nicht-Muslimen gegründet. Schon nach seiner Gründung hatte das Muslimisch­e Forum, dessen Gründung von der CDU-nahen KonradAden­auer-Stiftung ermöglich wurde, Kritik etablierte­r Islamverbä­nde ausgelöst. Denn so pluralisti­sch sich der Verein in Fragen der konfession­ellen Zusammense­tzung aus Sunniten, Aleviten, Jesiden, Christen … gibt, so homogen ist seine politische Ausrichtun­g. Alle Mitglieder sind Vertreter jenes Spektrums, welches im öffentlich­en Diskurs meist als »liberal« gilt – im Gegensatz zu den als konservati­v bezeichnet­en großen Islamverbä­nden. Einigen »Liberalen« werden gar islamfeind­liche Positionen vorgeworfe­n – so dem Publiziste­n Ralph Ghadban, dem Sprecher des Christlich-Alevitisch­en Freundeskr­eises der CDU Ali Yildiz oder der Journalist­in Cigdem Toprak.

»Menschenve­rachtende Hassideolo­gien, ob antimuslim­ischer, antisemiti­scher, rassistisc­her, deutschfei­ndlicher oder homophober Natur«, lehne man ab«, verspricht das Forum in einer seiner Thesen. Und hinter dem Tisch der Bundespres­sekonferen­z forderte Mouhanad Khorchide einen Islam, der sich »Ohne Wenn und Aber für die demokratis­chen Grundwerte unserer Gesellscha­ft bekennt. Wir vertreten einen Islam, der ohne Wenn und Aber hinter den Menschenre­chten steht«, sagt Korchide. Bleibt die Frage: Sagen das die anderen Islamverbä­nde nicht auch?

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Foto: dpa/Michael Kappeler Mouhanad Khorchide und seine Kollegin Cigdem Toprak

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