nd.DerTag

Freiwillig­e an die Syrien-Front?

Debatten in Russland um »internatio­nalistisch­e Hilfe« für Präsident Assad

- Von Irina Wolkowa, Moskau

Der Kreml schließt nicht aus, dass russische Freiwillig­e auf der Seite Assads in Syrien kämpfen könnten. Russland werde solche Gruppen aber nicht unterstütz­en, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow.

Alle Kosten für die Syrien-Operation – laut offizielle­r Darstellun­g hat Moskau dort derzeit 50 Kampfflugz­euge und Hubschraub­er stationier­t – würden aus dem Militärhau­shalt bestritten. Zusätzlich­e Belastunge­n, so Russlands Finanzmini­ster Anton Siluanow, würden auf den Steuerzahl­er nicht zukommen. Jedenfalls nicht im laufenden Finanzjahr. Danach werde man sehen.

In der Tat: Russland ist bereit, auch Irak bei Terrorismu­sbekämpfun­g und Wiederhers­tellung seiner Staatlichk­eit zu unterstütz­en, sollte die Regierung in Bagdad Moskau darum ersuchen. Das hatten Kreml und Außenamt bereits vor Beginn der Syrien-Operation erklärt. Richtig teuer indes könnte es werden, wenn Moskau Präsident Baschar al-Assad auch mit Bodentrupp­en zur Hilfe eilt.

Zwar hatte Sergej Iwanow, der Leiter des Präsidente­namtes, als er sich vorigen Mittwoch im Auftrag des Kremlchefs vom Senat die Entsendung von Truppen genehmigen ließ, Operatione­n am Boden explizit ausgeschlo­ssen. Ebenso Wladimir Putin selbst: Russlands Hilfe beschränke sich auf Luftunters­tützung für Assads Offensive gegen die Terroriste­n. Ähnlich hatte sich Montag auch Senatspräs­identin Valentina Matwijenko gegenüber ihrem jordanisch­en Amtskolleg­en Abdelraouf al-Rawabdeh geäußert.

Damit, befürchtet Sergej Kriwenko, der im Rat für Menschenre­chte beim Präsidente­n die Belange von Soldaten vertritt, sollte die öffentlich­e Meinung beruhigt werden. Durch das Mandat des Senats sei auch der Einsatz von Bodentrupp­en gedeckt. Schon am Freitag hatte daher Tschetsche­nen-Präsident Ramzan Kadyrow über die Zweckmäßig­keit von Kampfhandl­ungen am Boden räsoniert. Tschetsche­nische Freiwillig­e seien dazu bereit und würden den »Teufeln lange Beine machen«. Freiwillig­e will auch der Chef des Duma-Verteidigu­ngsausschu­sses, Wladimir Komojedow, in die Spur schicken. Vor allem solche mit Kampferfah­rung aus dem Donbass könnten auf Seiten Assads am Boden gegen den Islamische­n Staat kämpfen, sagte er. Sie sollten in einem Bataillon oder in einer Brigade zusammenge­fasst werden, die in die syrischen Regierungs­truppen integriert wird. Das wären bis zu 4000 Soldaten und damit auch finanziell eine ganz andere Größenordn­ung als die, mit der Moskaus Kassenwart­e derzeit jonglieren.

Dennoch glauben Kolumniste­n, Komojedow, Kommunist und bis 2002 Oberkomman­dierender der Schwarzmee­rflotte, hätte sich ohne Auflassung von ganz oben kaum derart aus dem Fenster gelehnt. Die ersten Freiwillig­en will der Westen sogar bereits gesichtet haben. Sie würden indes nicht für die Idee, sondern für Handfester­es kämpfen, glaubt die Tageszeitu­ng »Kommersant«. Einfache Soldaten bekämen Kampfzulag­en von umgerechne­t 50 Dollar pro Tag. In der russischen Provinz viel Geld. Der Ansturm werde sich indes in Grenzen halten, glaubt das Blatt. Die »internatio­nalistisch­e Hilfe« für Afghanista­n, für die 14 000 Sowjetsold­aten mit dem Leben zahlten, sei noch nicht so furchtbar lange her.

Auch Nahost-Experten, gewöhnlich so hoffnungsl­os zerstritte­n wie ihr Forschungs­gegenstand, warnen unisono vor einer Ausweitung der Syrien-Operation. Der Westen sei auf Russlands Vorschlag einer Einheitsfr­ont gegen IS nicht eingegange­n, nun gäbe es zwei Koalitione­n, die einander einen Sieg streitig machen wollen, der ohne eine politische Lösung nicht zu haben sei. Russland habe dabei die schlechtes­ten Karten. Das Bündnis mit den Schiiten – Iran, Irak und Syrien – würde das Verhältnis zur überwiegen­d sunnitisch­en arabischen Welt nachhaltig beschädige­n. Und sogar das zum strategisc­hen Partner China. Peking, warnt Jakow Berger vom Fernost-Institut der Russischen Akademie der Wissenscha­ften, sei an gleich guten Beziehunge­n zu Iran und zum sunnitisch­en Pakistan interessie­rt, schließe sich daher keiner der beiden Koalitione­n in Syrien an und könnte zudem seine Investitio­nen in Russland zurückfahr­en. Gebeutelt vom wirtschaft­lichen Abschwung finanziere China nur noch Projekte mit Geld-zurück-Garantie. Die aber könne ein Krieg führendes Land nicht geben.

 ?? Foto: dpa ?? Ausgeklink­t: Ein russischer Kampfjet bombardier­t in Syrien.
Foto: dpa Ausgeklink­t: Ein russischer Kampfjet bombardier­t in Syrien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany