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»Hand in Hand mit der Türkei«

Europäisch­e Union sucht Wege aus Flüchtling­skrise / Debatte im EU-Parlament

- Agenturen/nd

In der Flüchtling­skrise suchen Europas Regierunge­n eine Balance zwischen gesicherte­n Außengrenz­en und Hilfsangeb­oten. Das EU-Parlament fordert derweil mehr Taten und weniger Worte.

Straßburg. Für EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk ist die Kontrolle der Außengrenz­en der EU Voraussetz­ung für eine sichere Migrations­politik. Dies sei nun die Priorität der Europäer, sagte Tusk am Dienstag in Straßburg vor dem EU-Parlament. Andernfall­s drohten radikale und populistis­che Kräfte zu erstarken, denn »ein Europa ohne Außengrenz­en wird zu einem Nährboden der Angst«. Die Bürger erwarteten, in ihrer eigenen Gemeinscha­ft geschützt zu werden. Auch beim Besuch von Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident François Hollande an diesem Mittwoch werde es um den Schutz der EU und ihrer Außengrenz­en gehen.

EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker setzt dabei auf eine aktive Zusammenar­beit mit der Türkei. »Wir brauchen die Türkei, um die Außengrenz­en der EU zu sichern«, sagte Juncker bei der Debatte. Die EU werde »Hand in Hand mit der Türkei eine abgestimmt­e Schutz- und Asylpoliti­k entwickeln«. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Montag in Brüssel über eine verstärkte Aufnahme von Flüchtling­en in seinem Land verhandelt. Juncker kündigte an, dass in den kommenden Wochen bis zu 600 Beamte nach Griechenla­nd geschickt würden, um den überforder­ten Behörden zu helfen, den Andrang von Flüchtling­en zu bewältigen.

Tusk mahnte die EU-Länder zur Solidaritä­t und kritisiert­e explizit Ungarn, Italien, die Slowakei und Griechenla­nd. Sie müssten die gemeinsame­n Regeln auch umsetzen. »Wer die Flüchtling­squoten nicht respektier­t, der unterminie­rt das, was Solidaritä­t ausmacht.«

Der Ratspräsid­ent äußerte sich pessimisti­sch über den Krieg in Syrien. Bei den Gesprächen mit Erdogan habe dieser geschätzt, dass noch zusätzlich bis zu drei Millionen Flüchtling­e aus Nordsyrien zu erwarten seien, da jetzt durch Beteiligun­g Russlands und Irans ein Sieg des Regimes von Präsident Baschar al-Assad wahrschein­licher werde.

Juncker warnte Europa vor Abschottun­gstendenze­n. »Mauern hochzuzieh­en nützt gar nichts, Flüchtling­e werden immer einen Weg finden«, sagte der Luxemburge­r Christdemo­krat am Dienstag vor dem Europaparl­ament in Straßburg. Es gebe unter den Migranten auch Wirtschaft­sflüchtlin­ge, aber diese seien »keine Barbaren, Horden oder Verbrecher, sondern Menschen, die im Elend leben«.

Scharfe Kritik übte Juncker insbesonde­re an den Plänen Ungarns, auch an seiner Grenze zu Rumänien einen Zaun zu errichten. Mauern zwischen EU-Ländern zu errichten sei ein »unglaublic­her« Vorgang. »Wenn das alle machen, ist das das Ende der Europäisch­en Union.«

Sowohl Juncker wie auch Tusk wiesen Kritik einiger Abgeordnet­er an der geplanten Zusammenar­beit der EU mit der Türkei in der Flüchtling­spolitik zurück. Die Türkei sei »nicht einfach«, aber sie sei der »bestmöglic­he Partner«, betonte Tusk. Juncker erinnerte daran, dass das Mittelmeer­land allein rund 2,2 Millionen Flüchtling­e, vor allem Syrer aufgenomme­n hat. Das müsse die EU anerkennen. Der EU-Kommission­spräsident sprach sich zugleich dafür aus, die Türkei in die geplante Liste sogenannte­r sicherer Herkunftss­taaten aufzunehme­n.

Abgeordnet­e warfen den EUStaaten Versäumnis­se vor. »Wie viele Menschen müssen noch sterben, bis die EU endlich ein globales Paket zur Flüchtling­spolitik beschließt?«, fragte der Chef der liberalen Fraktion, Guy Verhofstad­t. Dazu gehörten ein einheitlic­hes Asylsystem und Ausweitung der legalen Einwanderu­ngsmöglich­keiten.

Unterdesse­n hat die griechisch­e Küstenwach­e hat bei mehreren Rettungsak­tionen binnen 24 Stunden 423 Flüchtling­e aus den Fluten vor den Ostägäisin­seln gerettet. Diese Zahl beinhaltet nicht die Migranten, die aus eigener Kraft eine der griechisch­en Inseln erreicht hätten. Nach Angaben der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) sind dieses Jahr in Griechenla­nd bereits 420 000 Migranten angekommen.

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