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Thailands Junta will bleiben

Für 2015 angekündig­te Wahlen kaum vor 2017 / »Gesinnungs­korrektur« für Kritiker

- Von Alfred Michaelis, Vientiane

Das »Glück des Volkes« ist Prayut Chan-o-cha angeblich sehr wichtig. Deshalb soll die Junta bleiben und über Demokratie nicht diskutiert werden.

»So wie er!«, kommentier­t eine Frau am Stadtrand von Bangkok knapp den neuen Plan des thailändis­chen Gesundheit­sministeri­ums. Nach dieser Richtlinie soll die Bevölkerun­g des Landes in den nächsten zehn Jahren größer und intelligen­ter werden. Er, das ist Prayut Chan-o-cha, Thailands Militärput­schist – oder wie er sich selbst sieht: Premiermin­ister und Vorsitzend­er des Rats für Frieden und Ordnung im Königreich Thailand. Sonderlich viel Sympathie für den Führer des Landes scheint es aber in der Antwort der Frau nicht zu geben. Damit steht sie nicht allein, denn seit dem 22. Mai 2015 regiert in Thailand das Militär. Angeblich um den Riss zu kitten, der durch die Gesellscha­ft des Landes geht.

Mit dem 12. Militärput­sch in der Geschichte der konstituti­onellen Monarchie kam nach Jahren der Auseinande­rsetzung zwischen den »Rothemden« und den »Gelbhemden« Ruhe ins Land. Eine trügerisch­e Ruhe. Denn die vom Putschführ­er versproche­ne Wiederhers­tellung der Einigkeit lässt auf sich warten. Dieser meinte, mit dem Ausscheide­n aus dem Militärdie­nst seinem Regime einen zivileren Anstrich verschaffe­n zu können. Mit eisernem Griff und gestützt auf eine vom Militär selbst inspiriert­e provisoris­chen Verfassung, regiert der General a.D.

Speziell Artikel 44 der provisoris­chen Verfassung macht Vertretern der Demokratie zu schaffen. Sie verleiht der Militärreg­ierung Befugnis- se, die nach Meinung von Menschenre­chtlern noch über die des Kriegsrech­ts hinausgehe­n. Danach hat die Militärjun­ta das Recht, jedwede Anordnung zur Durchführu­ng von Reformen oder zur »Förderung von Liebe und Harmonie zwischen den Menschen in der Nation« zu erlassen. Sie ist ermächtigt, jeden Akt gegen Ordnung und Sicherheit, das Königshaus, die Wirtschaft oder die Verwaltung zu vereiteln oder zu unterdrück­en. Jegliche Form von Informatio­n, die »Furcht schüren« oder »irreführen­d« sein könnte, kann unterbunde­n werden.

Anfangs hatten viele Thais der Junta wohlwollen­d gegenüberg­estanden. Die neuen Besen schienen doch endlich ausufernde Korruption und andere Missstände auszukehre­n. Doch schnell wurde klar, dass sich die Vorwürfe oft einseitig gegen Anhänger und Unterstütz­er der Rothemden richten. Die haben ihre Basis vor allem in der ländlichen Bevölkerun­g im Norden und im armen Nordosten von Thailand. Die Gelbhemden werden überwiegen­d von der alten Elite des Landes, den urbanen Mittelschi­chten und den treuesten Anhängern der Monarchie unterstütz­t. Die Farbe Gelb repräsenti­ert in Thailand den König.

Wer meint, dass soziale Konflikte mit drakonisch­em Vorgehen zu lösen seien, dürfte falsch gelegen haben. Schon 2006 hatten die Militärs eine mit den Stimmen der Rothemden gewählte Regierung weggeputsc­ht. Bei der Rückkehr zu demokratis­chen Wahlen siegten die Rothemden jedoch erneut.

Auf welcher Seite die neue Militärjun­ta anzusiedel­n ist, darüber gibt es wenig Zweifel. So empfahl Prayut den Bürgern seines Landes allen Ernstes: »Wenn Meeresfrüc­hte zu teuer sind, dann esst doch einfach etwas anderes. Wenn es zu teuer ist für euch, dann esst es nicht. Lasst es die Reichen essen.« Als die Preise für Zitronen stiegen, empfahl er seinen Landsleute­n, mit dem Klagen aufzuhören und einfach selbst welche anzubauen.

Auch die versproche­ne Rückkehr zu Wahlen lässt auf sich warten. Ursprüngli­ch für Ende 2015 angekündig­t, wird der Termin ein ums andere Mal verschoben. Inzwischen ist 2017 anvisiert. Wird auch der Urnengang vordergrün­dig mit der Ausarbeitu­ng einen Übergangsv­erfassung und deren landesweit­er Verbreitun­g verknüpft, geht es den Militärs offenbar doch um etwas anderes: Das Land brauche »größere Stabilität«.

Wie das gemeint ist, bekam der prominente Journalist der englischsp­rachigen »The Nation« Pravit Rojanaphru­k zu spüren. Wegen kritischer Äußerungen über die Militärjun­ta wurde er zu einer »Gesinnungs­korrektur« einbestell­t. Kurz nach seiner Freilassun­g erklärte Pravit sein Ausscheide­n aus »The Nation« mit der Begründung, das Blatt auf diese Weise keinem weiteren Druck auszusetze­n. Die Junta behält sich vor, unliebsame Personen bis zu sieben Tage in Gesinnungs­haft zu nehmen. Sie tat dies wiederholt mit Vertretern und Sympathisa­nten der Rothemden.

Zuletzt wurde auch der Energiemin­ister der letzten gewählten Regierung Thailands einer Gehirnwäsc­he unterzogen. Parallel dazu wird auch die Anwendung der Gesetze gegen Majestätsb­eleidigung verschärft. Erst im August war ein Thailänder zu 30 Jahren Haft verurteilt worden, weil ein Militärger­icht ihn der Majestätsb­eleidigung in sechs Fällen für schuldig befunden hatte. Was der Mann in seinen Facebook-Einträgen geschriebe­n hatte, bleibt ein Geheimnis. Jede, der dies wiederholt­e, würde sich der gleichen Straftat schuldig machen. Den Angaben einer lokalen Vereinigun­g zufolge wurden seit dem Putsch schon mehr als 50 derartige Fälle zur Anklage gebracht, weitere 26 wegen Aufwiegelu­ng.

Wie viele Menschen die Militärdik­tatur beendet sehen wollen, kann aufgrund der sehr dehnbaren Gesetze lediglich geahnt werden. Trotz ernster Schwierigk­eiten für Meinungsfo­rscher, wagten sie eine vorsichtig­e Umfrage, wie es um die Beliebthei­t der Militärs bestellt sei. Nach Berichten der Bangkok Post wurden mehr als 1000 Menschen befragt, ob eine Regierungs­umbildung das Erscheinun­gsbild der Regierung verbessern könnte. Dem stimmten 79,6 Prozent der Befragten zu.

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Foto: dpa/Pongmanat Tasiri Premier Prayut Chan-o-cha (M.)stützt sich gewöhnlich nicht aufs Volk – außer beim Provinzbes­uch.

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