nd.DerTag

Überlastet

- Christin Odoj zu den Zuständen in Berliner Jugendämte­rn

Für Mitarbeite­rInnen des Jugendamte­s ist es nicht leicht, das haben sie mit ihren Kollegen vom Ordnungsam­t gemein. Wenn sie in der Öffentlich­keit eine Rolle spielen, dann die des verbiester­ten übereifrig­en Schreibtis­chtäters oder gleich das komplette Gegenteil: völlig überforder­t und unsouverän. Grauselige Meldungen mit dem Fingerzeig auf ein zu spät eingreifen­des Jugendamt gibt es genug.

Mit Überlastun­gsanzeigen haben Jugendamts­mitarbeite­rInnen die Senatsverw­altung für Bildung in den vergangene­n Jahren überflutet – passiert ist bisher wenig. Die angepeilte­n 75 zusätzlich­en Stellen kommen erst 2017. Im Bezirk Neukölln, wo man die Probleme aus Mitte nicht zu teilen scheint, gibt es ein spezielles Krisenteam im Jugendamt, das sich nur um Notfälle kümmern kann. Kollegen werden so nicht aus ihrer Arbeit gerissen und Familien mit Terminen, auf die sie monatelang gewartet haben, müssen nicht vertröstet werden. Also ist doch alles gar nicht so schlimm! Durch dieses uneinheitl­iche Bild ist es für die Senatsverw­altung für Finanzen ein Leichtes zu sagen, die Bezirksämt­er wären selbst schuld, wenn sie ihre Ressourcen nicht vernünftig managen. Familien, die dringend Hilfe und Unterstütz­ung benötigen, werden so Opfer hässlich rationaler Haushaltsp­olitiklogi­k. Über das Kosteneins­parungspot­enzial (BER, Olympiabew­erbung) lohnt es sich schon gar nicht mehr zu echauffier­en.

Und es wird noch schwierige­r werden für die Jugendämte­r. Die Zahl der minderjähr­igen unbegleite­ten Flüchtling­e in Berlin steigt. In diesem Jahr werden es wohl 3000 sein. 2014 waren es noch 1000. Qua Gesetz sind die Ämter verpflicht­et, sich um diese Kinder zu kümmern. Und dort herrscht Zuständigk­eitschaos, was wieder Personal und Zeit bindet. Wenn drei Geschwiste­r, darunter ein 18-Jähriger, aus München nach Berlin geschickt werden und dort nicht als unbegleite­t eingestuft wurden, gilt das dann auch in Berlin? Hinzu kommt, dass erste Bezirke schon keine betreuten Wohnplätze mehr frei haben. Am Ende ist das Jugendamt noch froh, dass das LAGeSo mit der Registrier­ung nicht hinterherk­ommt.

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