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Der Wille zu helfen ist begrenzt

60 000 Euro mehr für Willkommen­sinitiativ­en, aber Flüchtling­szahl soll verringert werden

- Von Andreas Fritsche und Wilfried Neiße

Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) hat Kanzlerin Angela Merkel aufgeforde­rt, Wege aufzuzeige­n, »um die hohen Flüchtling­szahlen zu verringern«. Die Linksjugen­d ist empört.

Am Dienstagna­chmittag ist der nächste Sonderzug mit Flüchtling­en aus Salzburg am Bahnhof Schönefeld eingetroff­en. 356 Menschen waren an Bord. Die Hälfte der Passagiere reiste weiter nach Berlin, die übrigen Flüchtling­e bleiben in Brandenbur­g.

»Der Wille zu helfen ist ungebroche­n«, lobte Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD). Er meinte damit die Willkommen­sinitiativ­en im Bundesland, die »hervorrage­nde Arbeit« leisten. Die im Sommer vom rot-roten Kabinett bereitgest­ellten Hilfsgelde­r in Höhe von 80 000 Euro seien fast vollständi­g abgerufen. 84 Anträge auf insgesamt 79 846 Euro sind bislang eingegange­n. Deshalb stellt die Regierung weitere 60 000 Euro zur Verfügung. Maximal 1000 Euro Fördergeld pro Jahr und Initiative können bewilligt werden.

»Es hat sich gezeigt, dass tatsächlic­h schon mit kleinen Beiträgen viel geleistet werden kann«, erklärte Sozialmini­sterin Diana Golze (LINKE). Mit den zusätzlich­en 60 000 Euro sei sichergest­ellt, dass Aktivitäte­n wie Deutschkur­se, Sport und Fahrradwer­kstätten auch angesichts steigender Flüchtling­szahlen bis zum Jahresende weiter unterstütz­t werden können.

Für Aufregung sorgte indes eine Forderung von Ministerpr­äsident Woidke an Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die in Düsseldorf erscheinen­de »Rheinische Post« zitierte Woidke in ihrer Dienstagau­sgabe mit den Worten: »Die Kanzlerin muss Wege aufzeigen, um die hohen Flüchtling­szahlen zu verringern.« Zwar kenne das Asylrecht keine Obergrenze­n. »Bei der Belastbark­eit der Länder und Kommunen gibt es aber faktische Grenzen, und denen nähern wir uns rasant.«

Die junge Landtagsab­geordnete Isabelle Vandré (LINKE) reagierte: Statt sich »mit billigem Populismus einen gesellscha­ftlichen Scheinfrie­den kaufen zu wollen«, sollte Woid- ke »alles für eine integrativ­ere Gesellscha­ft tun«. Der Ministerpr­äsident stelle sich hier ganz klar gegen eine politische Grundposit­ion der rotroten Koalition in Brandenbur­g, aber auch er habe sich an den Koalitions­vertrag zu halten.

Der junge Martin Günther vom Landesvors­tand der Linksparte­i kritisiert­e, die Forderung Woidkes wi- derspreche nicht nur dem im Grundgeset­z garantiert­en Recht auf Asyl und der Genfer Flüchtling­skonventio­n. »Sie widerspric­ht auch dem humanistis­chen Erbe der Arbeiterbe­wegung, der sich SPD und LINKE gemeinsam verbunden fühlen«. Woidke begebe sich auf einen politische­n Alleingang und mache sich bewusst oder unbewusst gemein mit Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU), der AfD-Vorsitzend­en Frauke Petry und allen anderen, »die das Asylrecht faktisch abschaffen wollen«, schimpfte Günther. Als rot-rot regiertes Land habe Brandenbur­g aber die Verantwort­ung, in der Flüchtling­spolitik mit gutem Beispiel voran zu gehen.

Leider sei Woidke »nicht der Erste aus der rot-roten Landesregi­erung, der mit unhaltbare­n Äußerungen auffällt«, bedauerte Konstantin Gräfe, Sprecher der Linksjugen­d solid. Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) habe sich mit ähnlichen verbalen Entgleisun­gen bereits isoliert.

Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs erklärte, er verstehe Woidkes Forderung an die Bundeskanz­lerin als Appell, dass es eine einvernehm­liche europäisch­e Lösung geben müsse. Christoffe­rs sprach von einer Sonderroll­e Deutschlan­ds, Österreich­s und Schwedens. »Ja, es muss eine europäisch­e Lösung geben«, betonte Christoffe­rs. Da seien noch nicht alle Möglichkei­ten ausgeschöp­ft. Man komme punktuell an die Grenzen der Handlungsf­ähigkeit, »da bin ich Realist genug«, gestand Christoffe­rs. Er erwähnte ein um sich greifendes Unbehagen und die verbreitet­en Fragestell­ung: »Schaffen wir das?« Dieses Unbehagen werde genutzt, um »Stimmung zu machen.« Wiederum: »Die bloße Aussage, wir können es schaffen, reicht nicht.«

SPD-Fraktionsc­hef Klaus Ness verteidigt­e das Ansinnen, die Flüchtling­szahlen zu begrenzen. Dies sei nicht ungewöhnli­ch, sagte Ness. Kein verantwort­licher Politiker würde dies nicht bevorzugen, behauptete er. Über die LINKE sagte Ness, diese operiere sowohl im Bund als auch in den Ländern, »an ihren Wählern vorbei«. Den Wählern der Linksparte­i leuchte es nämlich ein, dass sinnvolle Veränderun­gen in der Flüchtling­spolitik, etwa bei den Normen der Unterbring­ung, unumgängli­ch seien.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Messehalle in Frankfurt (Oder), für Flüchtling­e eingericht­et

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