Hannover überprüft Straßennamen
Hindenburg, Sauerbruch und auch Pelikan-Chef Beindorff stehen auf der »braunen Liste«
Unlängst wurde in Hannover der Hinrich-Wilhelm-Kopf Platz umbenannt, nun sollen neun Straßen folgen. Der Grund: Die Namensgeber haben nach Expertenmeinung das Hitlerregime unterstützt.
Zwei Bronzepelikane thronen an der Eilenriede, Hannovers Stadtwald, über einem Marmorbecken voller Wasser. Zumindest ältere Spaziergänger, die hier gern verweilen, wissen, wem der Brunnen gewidmet ist: Fritz Beindorff, 1944 verstorbener Fabrikant, Chef des SchreibwarenProduzenten Pelikan, unter anderem bekannt durch Füllhalter und Tinte. Niedersachsens Hauptstadt würdigte den als Unternehmer und Kunstmäzen verehrten Mann im Jahr 1931 mit der Fritz-Beindorff-Allee. Diese soll jenen Namen nun aber verlieren, weil der Firmenboss seinen Reichtum zur NS-Zeit auch mit Hilfe von Zwangsarbeitern vermehrt habe. Das empfiehlt der städtischen Beirat, der »kritische« Straßennamen untersucht.
Das Gremium gibt zu bedenken: Fritz Beindorff habe 1932 eine Eingabe an Reichspräsident Hindenburg unterschrieben, in der die Kanzlerschaft Hitlers gefordert wird. Und: Eine zu Beindorffs Firmenkomplex ge- hörende GmbH habe 1937 von einer Zwangsversteigerung jüdischen Eigentums profitiert, »die aus einer Verfolgungsmaßnahme resultierte«.
Spätestens ab 1940 habe Beindorffs Unternehmen zwei Zwangsarbeiterlager unterhalten. Dort ausgebeutete Menschen berichteten von Terrormaßnahmen und schlimmen Zuständen. Beindorffs Familie und die Leitung der Pelikan AG, so vermeldet die »Hannoversche Allgemeine Zeitung«, seien »entsetzt« über die Empfehlung des Beirates, zumal Verstrickungen des Patriarchen in das NSGeschehen nicht belegt seien.
Unstrittig belegbar ist dagegen die schwülstige Schwärmerei der ostpreußischen Dichterin Agnes Miegel für Adolf Hitler. Auch den »MiegelWeg« soll es in Hannover nicht mehr geben. Weniger bekannt sind zwei Autoren, denen noch Ehre auf Straßenschildern erwiesen wird: Gustav Frenssen, der Euthanasie ebenso rechtfertigte wie Judenverfolgung, und Heinrich Sohnrey. Der verbreitete schon vor 1933 rassistisches Gedankengut.
Verschwinden von der Straßenliste sollen auch Julius Brendel, der als Leiter eines Wohnungsverbandes jüdische Mieter entrechtete, sowie der frühere Rektor der Technischen Hochschule, Otto Franzius. Er hatte politisch missliebige Personen von der Hochschule »entfernt«.
Einen weitaus prominenteren Mann trifft der Bannstrahl des Beirates in Professor Ferdinand Sauerbruch. Nach Erkenntnissen des Gremiums billigte der als Starchirurg gepriesene Arzt auf höherer Ebene For- schungsvorhaben, die Experimente an Menschen in Konzentrationslagern einschlossen. Deshalb soll der Sauerbruchweg umbenannt werden.
Das soll auch mit dem Uhlenhutweg geschehen. Der Mediziner Paul Uhlenhut haft dafür gesorgt, dass Menschen jüdischer Herkunft ihre Arbeitsplätze verloren und stellte Anträge auf die Zulassung von Menschenversuchen. Laut Beirat wollte er unter anderem an Kriegsgefangenen erforschen, ob sich weiße und farbige Menschen in ihrer Blutzusammensetzung unterscheiden.
Erst kürzlich war in Hannover der Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz umbenannt worden – Anlass waren Ver- strickungen des einst hoch geehrten SPD-Ministerpräsidenten in Machenschaften des Hitlerregimes, die erst spät ans Tageslicht kamen. Über die neuen Vorschläge müssen nun noch städtische Gremien entscheiden. Zuvor wird es voraussichtlich lebhafte Diskussionen geben – auch über den Vorschlag des Beirates, den Namen Hindenburg aus dem Stadtbild zu tilgen. Dann müsste nicht nur die Hindenburgstraße umbenannt werden, sondern auch die HindenburgSchleuse und das Hindenburg-Stadion. Der Beirat fasst zusammen: Der Reichspräsident Hindenburg hatte bei der Zerstörung der Republik und beim Ausbau der Diktatur unter einem antisemitischen Regierungsprogramm die zentrale Rolle.
Besonders diejenigen Hannoveraner, die das noble Zooviertel seit Jahrzehnten auch »Hindenburgviertel« nennen, werden sich womöglich an der Umbenennung stoßen. Das tut bereits der Vize-Fraktionschef der CDU im Landtag, Dirk Toepffer. Angesichts der Flüchtlingslage sei die Beschäftigung mit dem Straßenthema deplatziert, meckerte er in »BILD«. Vielleicht ärgert er sich aber auch nur darüber, dass seine Partei eventuell neue Briefbögen kaufen muss: Die Niedersachsen-CDU residiert in der Hindenburgstraße.
Über die neuen Vorschläge müssen nun noch städtische Gremien entscheiden.