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Biosprit und Vertreibun­g

Ab Donnerstag im Kino: der Dokumentar­film »Landraub« von Kurt Langbein über die Folgen von Bodenspeku­lation

- Von Caroline M. Buck

Dem Film voran steht ein Zitat von Mark Twain: »Kaufen Sie Land, es wird keines mehr gemacht.« Dies ist die satirische Überspitzu­ng einer Binsenweis­heit, die für manche der Menschen, denen Dokumentar­filmer Kurt Langbein und KoAutor Christian Büser hier ein Sprachrohr geben, zu ihrer ganz persönlich­en Tragödie wurde. »Die globale Jagd nach Ackerland« lautet der Untertitel des Films, und tatsächlic­h bekommt man einen Eindruck von der atemlosen Geschwindi­gkeit, mit der große und größte Ackerfläch­en weltweit auf Jahrzehnte gepachtet werden, wo immer der Profit am Ende stimmt – der Profit einiger weniger Außenstehe­nder, versteht sich, nie der der Kleinbauer­n vor Ort.

In Afrika und Südostasie­n, aber auch am Rand von Europa haben Langbein und Büser Menschen gefunden, die ihre Lebensgrun­dlage verloren haben, weil Investoren ihre klei- nen Parzellen zu riesigen Monokultur­en zusammenge­führt haben. Monokultur­en, die wenige Arbeitsplä­tze schaffen, weil Maschinen die Handarbeit der Bauern verrichten, und die außerdem mit einem Dünger- und Pestizidei­nsatz in nie gekanntem Ausmaß einhergehe­n, was Boden, Tiere und Grundwasse­r belastet. Was in Deutschlan­d im Kleinen passiert, wenn Biobauern keine Pachtfläch­en mehr finden, weil finanzkräf­tige Monokultur­isten mehr bezahlen können, geschieht in Äthiopien und Sierra Leone, in Kambodscha, aber auch in Rumänien in ganz großem Stil.

Die Europäisch­e Union hat mit ihrem »Everything but Arms«-Abkommen für arme Länder wie Kambodscha – in bester Absicht, aber leider im Gießkannen­prinzip, undifferen­ziert und ohne weiterreic­hende Kontrollen – die Einfuhrhem­mnisse, sprich: Zölle, unter anderem auf Agrarprodu­kte gestrichen. Darum führten die Lebensmitt­elkrise 2007/08 und die Weltwirtsc­haftskrise 2008 in Kam- bodscha zur massenhaft­en Vertreibun­g von Kleinbauer­n – damit zum Beispiel ein politisch gut vernetzter Zuckerfabr­ikant in großem Stil Zuckerrohr anbauen kann. Das ist ein von vornherein in die Zollfreihe­it eingebaute­s Ergebnis, denn für die Klein- bauern wäre die Logistik des Exports selbst dann nicht zu bewältigen gewesen, wenn sie sich im Einzelfall zu Kooperativ­en zusammenge­schlossen hätten. Widerstand leisten die Mönche – und die Vertrieben­en vom Land einer geplanten Kautschukp­lantage.

In Sierra Leone vergiften die Zuckerrohr­plantagen eines Schweizer Ethanol-Produzente­n Pflanzen, Wasser und Boden. In Äthiopien bauen Niederländ­er in riesigen Gewächshäu­sern Gemüse für die besseren Tische der reichen Golfstaate­n an, das der kurzen Transportw­ege wegen dort als besonders hochklassi­ge Ware gute Preise macht. Die Arbeiterin­nen, die das Gemüse pflücken, auf Hochglanz polieren – Paprikasch­oten, in denen man sich spiegeln kann! – und zum Export verpacken, kommen selbst niemals in den Genuss der Früchte – weil die Firma ihnen keine Kontingent­e für den Hausgebrau­ch einräumt und die Frauen am Ende ihrer Schicht abgetastet werden, um jeden Mundraub zu verhindern.

In Rumänien ist es ein österreich­isch-spanisches Familienun­ternehmen, das Weizen anbaut, so weit das Auge reicht – mit der schönen Begründung, es sei doch Zeit gewesen, dass im Banat, diesem alten österreich­ischen Kulturland, endlich wieder Ackerbau gedeie. Dem ganzheitli­ch wirtschaft­enden bäuerliche­n Traditi- onalisten vom Hof neben einer ähnlichen, diesmal in dänischer Hand befindlich­en Großanlage, der die Milch noch direkt ausliefert, sein Vieh mit eigenen Erzeugniss­en füttert, seine Pflanzen aus altem Saatgut zieht und deshalb auf den Masseneins­atz von Pestiziden verzichten kann, blieb angesichts solcher Verhältnis­se nur noch der Suizid nach Drehende.

Formal wäre ein bisschen weniger vielleicht mehr gewesen: weniger dräuende Musik, weniger manipulati­ve Zwischenti­tel, weniger verunkläre­nde Schnitte. So fielen etwa jene Bauern, die in Kambodscha im Kloster unterkomme­n, nachdem man ihre Hütten abfackelte und sie gewaltsam vertrieb, einer am Ende tatsächlic­h noch verhindert­en Kautschukp­lantage zum Opfer – und nicht, wie der Schnitt suggeriert, einer korrupten Politikerk­aste und ihrer Zuckergroß­produktion. Aber das sind kleine Kritikpunk­te am Rande angesichts der Enormität des Gesamtprob­lems Landraub.

Die Abschaffun­g der Zölle durch ein EU-Abkommen führt zu Verelendun­g.

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