Das Theater und die Flüchtlinge
Richard
Djif aus Kamerun erklärt es so: »Kunst ist wie ein Spiegel«, sagt der 36-Jährige, der nach Gefängnishaft und Folter aus seinem Heimatland nach Deutschland geflohen ist. »Wenn Du keinen Spiegel hast, dann weißt du nicht, wer du bist.« Deshalb hat Djif unter anderem beim Berliner Theaterprojekt »Herz der Finsternis« mitgemacht – einer nächtlichen Expedition auf Berliner Gewässern mit dem Theater der Migranten, bei dem Regisseur Olek Witt Theaterzuschauer mit Flüchtlingen zusammenbrachte.
Das Theaterspielen sei für die Flüchtlinge eine Möglichkeit zu zeigen, dass sie nicht unsichtbar sind, erzählt der 49-jährige Witt. »Kunst ist hier mitten im Leben und versucht auch das zu zeigen, was man nicht sehen kann«, sagt der Theatermacher. »Wir sind keine Politiker, aber Kunst ist wie ein großes Parlament, in dem wir viele Dinge vorschlagen und erfahren können«, meint Djif, der als kritischer Filmemacher in seiner Heimat nicht mehr arbeiten kann.
Viele Theater zeigen derzeit Stücke, in denen es um Flucht und Vertreibung, das Fremde und das Fremdsein, um Toleranz und die Sehnsucht nach friedlichem Miteinander geht. In zahlreichen Theaterprojekten stehen nicht nur Schauspieler, sondern geflüchtete Menschen selbst auf der Bühne. Doch was kann das Theater überhaupt leisten, wenn es um das Schicksal der Flüchtlinge geht?
Für Shermin Langhoff, Intendantin des Berliner Gorki Theaters, ist klar, dass sich unsere Gesellschaft ändern wird – wie, sei noch offen. »Es ist wahnsinnig schön, wie sehr sich die Institutionen öffnen, nicht nur die Theater. Solidarität zu zeigen, ist wichtig, aber die deutsche Gesellschaft muss jetzt über die Willkom-
»Kunst ist hier mitten im Leben und versucht, auch das zu zeigen, was man nicht sehen kann«
mensgesten hinausgehen«, fordert Langhoff. Die Flüchtlingsbewegung sei auch eine soziale Bewegung, die die Gesellschaft in ihrem Kern treffe. Denn es gehe hier um Menschenrechte, um Grundwerte – nicht um die logistische Organisation von Notunterkünften oder Registrierungsverfahren, meint Langhoff. Das Theater könne diese Zeit des Umbruchs kritisch begleiten und immer wieder an die Selbstbestimmung einer Gesellschaft appellieren.
Entscheidend sei die Verbindung politischer Fragestellungen mit einer künstlerischen Herangehensweise, sagt Annika Frahm vom Berliner Theater Hebbel am Ufer, wo in der Inszenierung »Inventar der Ohnmacht« der ungarisch-niederländischen Regisseurin Edit Kaldor auch Richard Djif auf der Bühne stand. Die Berliner Schaubühne kooperiert ebenfalls eng mit Flüchtlingen. »Im Dezember wird die Schaubühne die Inszenierung »Letters Home« der selbstverwalteten Flüchtlingstheatergruppe Refugee Club Impulse zeigen, die aus der Innensicht die Erfahrungen von Flüchtlingen in Berlin reflektiert«, kündigt Florian Borchmeyer, Leitender Schaubühnen-Dramaturg, an.
Und am Schauspiel Leipzig werden die Zuschauer aufgefordert: »Bitte bringen Sie zur »Neuen Europäischen Tragödie« Ihren Personalausweis oder Reisepass mit!«. In der gleichnamigen Performance des Theaterkollektivs God's Entertainment aus Wien geht es um den Umgang der Gesellschaft in Europa mit dem Thema Asyl.