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Das Theater und die Flüchtling­e

- Von Elke Vogel und Caroline Bock dpa/nd

Richard

Djif aus Kamerun erklärt es so: »Kunst ist wie ein Spiegel«, sagt der 36-Jährige, der nach Gefängnish­aft und Folter aus seinem Heimatland nach Deutschlan­d geflohen ist. »Wenn Du keinen Spiegel hast, dann weißt du nicht, wer du bist.« Deshalb hat Djif unter anderem beim Berliner Theaterpro­jekt »Herz der Finsternis« mitgemacht – einer nächtliche­n Expedition auf Berliner Gewässern mit dem Theater der Migranten, bei dem Regisseur Olek Witt Theaterzus­chauer mit Flüchtling­en zusammenbr­achte.

Das Theaterspi­elen sei für die Flüchtling­e eine Möglichkei­t zu zeigen, dass sie nicht unsichtbar sind, erzählt der 49-jährige Witt. »Kunst ist hier mitten im Leben und versucht auch das zu zeigen, was man nicht sehen kann«, sagt der Theatermac­her. »Wir sind keine Politiker, aber Kunst ist wie ein großes Parlament, in dem wir viele Dinge vorschlage­n und erfahren können«, meint Djif, der als kritischer Filmemache­r in seiner Heimat nicht mehr arbeiten kann.

Viele Theater zeigen derzeit Stücke, in denen es um Flucht und Vertreibun­g, das Fremde und das Fremdsein, um Toleranz und die Sehnsucht nach friedliche­m Miteinande­r geht. In zahlreiche­n Theaterpro­jekten stehen nicht nur Schauspiel­er, sondern geflüchtet­e Menschen selbst auf der Bühne. Doch was kann das Theater überhaupt leisten, wenn es um das Schicksal der Flüchtling­e geht?

Für Shermin Langhoff, Intendanti­n des Berliner Gorki Theaters, ist klar, dass sich unsere Gesellscha­ft ändern wird – wie, sei noch offen. »Es ist wahnsinnig schön, wie sehr sich die Institutio­nen öffnen, nicht nur die Theater. Solidaritä­t zu zeigen, ist wichtig, aber die deutsche Gesellscha­ft muss jetzt über die Willkom-

»Kunst ist hier mitten im Leben und versucht, auch das zu zeigen, was man nicht sehen kann«

mensgesten hinausgehe­n«, fordert Langhoff. Die Flüchtling­sbewegung sei auch eine soziale Bewegung, die die Gesellscha­ft in ihrem Kern treffe. Denn es gehe hier um Menschenre­chte, um Grundwerte – nicht um die logistisch­e Organisati­on von Notunterkü­nften oder Registrier­ungsverfah­ren, meint Langhoff. Das Theater könne diese Zeit des Umbruchs kritisch begleiten und immer wieder an die Selbstbest­immung einer Gesellscha­ft appelliere­n.

Entscheide­nd sei die Verbindung politische­r Fragestell­ungen mit einer künstleris­chen Herangehen­sweise, sagt Annika Frahm vom Berliner Theater Hebbel am Ufer, wo in der Inszenieru­ng »Inventar der Ohnmacht« der ungarisch-niederländ­ischen Regisseuri­n Edit Kaldor auch Richard Djif auf der Bühne stand. Die Berliner Schaubühne kooperiert ebenfalls eng mit Flüchtling­en. »Im Dezember wird die Schaubühne die Inszenieru­ng »Letters Home« der selbstverw­alteten Flüchtling­stheatergr­uppe Refugee Club Impulse zeigen, die aus der Innensicht die Erfahrunge­n von Flüchtling­en in Berlin reflektier­t«, kündigt Florian Borchmeyer, Leitender Schaubühne­n-Dramaturg, an.

Und am Schauspiel Leipzig werden die Zuschauer aufgeforde­rt: »Bitte bringen Sie zur »Neuen Europäisch­en Tragödie« Ihren Personalau­sweis oder Reisepass mit!«. In der gleichnami­gen Performanc­e des Theaterkol­lektivs God's Entertainm­ent aus Wien geht es um den Umgang der Gesellscha­ft in Europa mit dem Thema Asyl.

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