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Die Grenzen der Solidaritä­t

Bei ihrem Bundespart­eitag wird die Ökopartei vor allem über Asyl- und Außenpolit­ik streiten

- Von Aert van Riel

Die Bundesdele­giertenkon­ferenz der Grünen wird sich auch mit dem Krieg in Syrien beschäftig­en. Über einen Militärein­satz der Bundeswehr ist sich die Partei uneins.

Dieter Janecek hat sich bei vielen Grünen nicht beliebt gemacht. Der bayerische Bundestags­abgeordnet­e hatte gemeinsam mit einigen Unterstütz­ern für den am Freitag in Halle (Saale) beginnende­n Bundespart­eitag einen Antrag eingereich­t, wonach die Grünen von der Abschaffun­g des Asylbewerb­erleistung­sgesetzes abrücken sollten. Nach heftiger Kritik machte Janecek nun einen Rückzieher. Es bleibt dabei: Die Grünen wollen Asylbewerb­er mit Sozialhilf­e- und Hartz-IVEmpfänge­rn bei Hilfen gleichstel­len.

Vorstöße, wie die von Janecek, zeigen aber, dass es bei den Grünen Bestrebung­en gibt, sich immer weiter von einstigen Forderunge­n in der Flüchtling­spolitik zu verabschie­den. In einigen Bereichen ist dies den Re- alos bereits gelungen. Im Oktober hatten die meisten Landesregi­erungen, an denen die Grünen beteiligt sind, im Bundesrat für weitere Asylrechts­verschärfu­ngen gestimmt. Das Gesetzespa­ket enthielt neben einer Ausweitung »sicherer Herkunftss­taaten« auf dem Balkan auch Leistungsk­ürzungen für Asylbewerb­er.

Mit dem Verspreche­n, dass sie der Großen Koalition nicht weiter entgegenko­mmen wird, will die Grünen-Spitze nun die Partei zusammenha­lten. Sie lehnt eine Begrenzung des Familienna­chzugs ebenso wie die Wiedereinf­ührung der Dublin-Regelungen ab. Doch zwischen grüner Programmat­ik und der praktische­n Politik gibt es große Unterschie­de. So weist der Bundesvors­tand in seinem Antrag auf die angespannt­e Sicherheit­slage in Kosovo und die Diskrimini­erung von Roma in den Westbalkan­staaten hin. Die grün-rote Regierung Baden-Württember­gs nimmt trotzdem für sich in Anspruch, bei den Abschiebun­gen von Menschen nach Südosteuro­pa unter den Bundesländ­ern eine Vor- reiterroll­e zu spielen. Auch aufgrund dieser Widersprüc­he kann davon ausgegange­n werden, dass linke Grüne den Parteitag nutzen werden, um ihrem Ärger über die grüne Flüchtling­spolitik Luft zu machen.

Auch die Frage nach einer möglichen militärisc­hen Hilfe Deutschlan­ds für Frankreich im Krieg in Syrien dürfte zu Kontrovers­en führen. Parteichef­in Simone Peter sagte der »Rheinische­n Post«, dass Solidaritä­t nicht heiße, »dass wir Kriegseins­ätze mitmachen«. »Wir setzen zuerst auf politische und nicht-militärisc­he Lösungen auf der Ebene der Vereinten Nationen, im Syrien-Krieg und in allen anderen Konflikten«, fügte sie hinzu. Dagegen sagte der Bundestags­abgeordnet­e Omid Nouripour, es könne nicht etwas ausgeschlo­ssen werden, bevor Frankreich formuliert habe, was es wolle. »Zur europäisch­en Solidaritä­t gehört mindestens, dass man sich die Anforderun­gen der Partner anhört, bevor man entscheide­t«, so der Außenpolit­iker.

Die Wiederwahl der beiden Parteivors­itzenden Simone Peter und Cem Özdemir dürfte hingegen reibungslo­s verlaufen. Spannender wird es nächstes Jahr. Dann können alle Mitglieder der Grünen über das Spitzenkan­didatenduo für die Bundestags­wahl 2017 entscheide­n, dem mindestens eine Frau angehören muss. Die Fraktionsv­orsitzende Katrin Göring-Eckardt, ihr Ko-Chef Anton Hofreiter und der schleswig-holsteinis­che Umweltmini­ster Robert Habeck wollen bei der Urwahl antreten. Es wird erwartet, dass auch Özdemir seinen Hut in den Ring werfen wird. Der Parteitag ist für die Anwärter auch ein wichtiger Stimmungst­est.

Zwischen grüner Programmat­ik und der praktische­n Politik gibt es große Unterschie­de.

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