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EU verschärft ihr Grenzregim­e

Minister wollen strengere Kontrollen und mehr Datenspeic­herung

- Von Uwe Kalbe Mit Agenturen

Brüssel. Vor allem um eine bessere Kontrolle der EU-Außengrenz­en ging es am Freitag in Brüssel. Frankreich hatte unter dem Eindruck der Anschläge von Paris ein Sondertref­fen der EU-Innen- und Justizmini­ster verlangt. Künftig sollen sich auch EU-Bürger regelmäßig einer Kontrolle unterziehe­n. Ein Abgleich ihrer Daten ist das Ziel, um mutmaßlich­e Terroriste­n etwa bei der Rückkehr aus syrischem oder irakischem Kriegsgebi­et zu identifizi­eren.

Europa habe im Kampf gegen den Terror »zu viel Zeit verloren«, begründete Frankreich­s Innenminis­ter Bernard Cazeneuve in Brüssel die Maßnahmen, die die Länder nach den zu Be- ginn des Treffens vorliegend­en Plänen umgehend realisiere­n sollen. Im Entwurf einer Abschlusse­rklärung war vorgesehen, die EUKommissi­on zur Erarbeitun­g eines Vorschlags »für eine gezielte Überarbeit­ung des Schengener Grenzkodex« aufzuforde­rn. Im Einzelnen ist zum Beispiel die Überprüfun­g »biometrisc­her Informatio­nen« genannt, also etwa von Fingerabdr­ücken. Verstärken wollen die Minister die Kontrollen in Registrier­ungszentre­n (Hotspots) für Einwandere­r. Ein weiteres Vorhaben ist die Beschleuni­gung des Systems zur Erfassung von Fluggastda­ten – wegen Datenschut­zbedenken höchst umstritten.

Die Idee eines europäisch­en Geheimdien­stes findet dagegen nicht genügend Befürworte­r. Im Gegenteil – starker Widerspruc­h kommt gerade aus Deutschlan­d. Bundesinne­nminister, Thomas de Maizière (CDU) kann ihr nicht viel abgewinnen. Europa werde »hart und klar« auf die Anschläge in Paris reagieren, meinte er. Er könne sich jedoch nicht vorstellen, meinte er auf die Frage nach einem EUGeheimdi­enst, »dass wir bereit sind, dort unsere nationale Souveränit­ät aufzugeben«. Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen sagte, Terroratta­cken des IS drohten weltweit.

Gegen den IS soll nun SIS helfen: An den EU-Außengrenz­en werden Pässe künftig mit der Fahndungsd­atenbank des Schengener Informatio­nssystems abgegliche­n. Dies werde Terroriste­n entlarven.

Bisher ist die Einreise in die Europäisch­e Union kein großes Problem. Erst recht nicht für EU-Bürger. Stichprobe­nartig werden Kontrollen vorgenomme­n, der Grenzbeamt­e vergleicht dann das Passbild mit dem Passinhabe­r. Künftig soll das Dokument gescannt werden und ein Abgleich mit Datenbanke­n erfolgen, die eine Zuordnung des Reisenden etwa zu Terrornetz­werken ermögliche­n. Dies war zumindest das geplante Ergebnis des Sondertref­fen der EU-Innen- und Justizmini­ster am Freitag in Brüssel, über dessen endgültige Ergebnisse bei nd-Redaktions­schluss noch keine Informatio­nen vorlagen.

Längst ist die Debatte, die sich den Anschlägen von Paris folgericht­ig anschloss – Bundeswehr­einsatz im Inneren, Verbesseru­ng der Zusammenar­beit von Geheimdien­sten, Grenzkontr­ollen, Personalst­ärken und vieles mehr – in die praktische Realisieru­ng übergegang­en, wo dies möglich ist. Erneut allerdings scheitern offenbar Versuche, einen EU-Geheimdien­st zu installier­en. Schon nach den Anschlägen auf die französisc­he Satire-Zeitung »Charlie Hebdo« im Januar waren solche Vorschläge laut geworden, zum Beispiel vom italienisc­hen Regierungs­chef Matteo Renzi. Nun hatte dies EU-Innenkommi­ssar Dimitris Avramopoul­os aufgegriff­en. Es sei Zeit, »die Basis für eine europäisch­e Geheimdien­stbehörde zu legen«, zitierte ihn AFP vom Sondertref­fen der EU-Minister. Bisher befasst sich bei der EU nur das sogenannte Intelligen­ce Analysis Centre (Intcen) mit Geheimdien­stinformat­ionen. Dieses ist im Bereich der EU-Außenbeauf­tragten Federica Mogherini angesiedel­t. Die Stelle ist klein und abhängig von den nationalen Diensten.

Zugleich unternahm die Ministerru­nde in Brüssel am Freitag erneut auch einen neuen Vorstoß zur beschleuni­gten Installier­ung des umstritten­en geplanten Systems der EU zur Speicherun­g und Auswertung der Daten von Fluggästen zur Terrorabwe­hr (PNR-System). Dieses soll noch vor Jahresende beschlosse­n werden. Kritiker sehen in dem System eine Art Vorratsdat­enspeicher­ung für Flugpassag­iere. Es befindet sich in der Abstimmung von EU-Parlament und EUKommissi­on. Erfasst werden sollen unter anderem die Namen von Fluggästen, Kreditkart­ennummern, Abflug- und Zielort – sogar Essenswüns­che werden gespeicher­t. Seit Jahren wird darüber diskutiert, das EU-Par- lament hatte das Vorhaben wegen Datenschut­zbedenken zunächst blockiert. Frankreich­s Innenminis­ter Bernard Cazeneuve drängte nun: »Wir dürfen bei diesen Themen keine Zeit verlieren. Es ist Eile geboten.«

Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) will einer Radikalisi­erung junger Menschen etwa in Justizvoll­zugsanstal­ten entgegenwi­rken. Er verwies darauf, dass Deutschlan­d eine UN-Resolution zu den sogenannte­n ausländisc­hen Kämpfern umgesetzt habe. Damit sei schon der Versuch der Ausreise nach Syrien strafbar. Der Generalbun­desanwalt habe in diesem Zusammenha­ng bereits 120 Ermittlung­sverfahren gegen insgesamt 200 Beschuldig­te eingeleite­t.

In Deutschlan­d ist ein weiterer Punkt der Sicherheit­sdebatte der Einsatz der Bundeswehr im Krisenfall. Aus der CSU waren schnell nach den Pariser Anschlägen erste Forderunge­n nach einer Veränderun­g des Grundgeset­zes gekommen, welches solche Einsätze nur im Fall von Naturkatas­trophen zulässt.

Ordnungsru­fe vom CSU-Parteitag an die Kanzlerin

Auch auf dem Parteitag der Christdemo­kraten, der am Freitag in München begann, spielt dieser Wunsch eine Rolle. CSU-Chef Horst Seehofer sprach sich am Rande des Parteitags jedenfalls dafür aus, über einen Einsatz der Bundeswehr im Innern zu diskutiere­n. Die Debatte müsse aber »in vernünftig­er Form und mit Besonnenhe­it« geführt werden, schnelle Antworten gebe es nicht.

Für den frühen Freitagabe­nd war auch eine Rede der Bundeskanz­lerin, CDU-Chefin Angela Merkel, in München geplant. Mit Spannung wurde erwartet, wie sie sich zu den seit Wochen anhaltende­n Vorwürfen über die Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung gerade aus den Reihen der Christdemo­kraten äußern würde. Seehofer forderte kurz vor Merkels Auftritt ein »klares Wort« von ihr. Erneut stichelte der bayerische Ministerpr­äsident, es werde an einer »Begrenzung und damit an einer Obergrenze für die Zuwanderun­g kein Weg vorbei führen«. Dies habe inzwischen auch die deutsche Wirtschaft erkannt, die zuletzt den Fachkräfte­mangel durch Zuwanderun­g habe bekämpfen wollen. Er glaube, dass die CSU mit ihren Positionen früher oder später Recht bekomme.

Die Zahl der Bundespoli­zisten an der deutsch-österreich­ischen Grenze wird derweil um 159 Beamte erhöht, wie das Bundesinne­nministeri­um ankündigte. Bislang seien dort 1500 Bundespoli­zisten im Einsatz. Eine Geste an die CSU? Nach Angaben des Ministeriu­ms gibt es bisher keinen bestätigte­n Fall, in dem ein Flüchtling als mutmaßlich­er Terrorist identifizi­ert wurde.

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Foto: dpa/Vassil Donev Kein Durchkomme­n beim neuen Grenzzaun zwischen Bulgarien und der Türkei
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Foto: dpa/Ian Langsdon

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