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Kobane bekommt ein Gesundheit­szentrum

Projekt hat Signalchar­akter für einen Aufbruch

- Von Alexander Isele

Der Verein »Gesundheit­szentrum Kobane« hat mit 170 freiwillig­en Aufbauhelf­ern das erste Wiederaufb­auprojekt in der zerstörten Stadt bewältigt.

Von der kurdisch-syrischen Stadt Kobane geht eine Signalwirk­ung aus: Der Islamische Staat ist nicht unbezwingb­ar. Nun soll von Kobane auch ein zweites Signal ausgehen: Der Wiederaufb­au kann gelingen. Am Freitag wurde ein Gesundheit­s- und Sozialzent­rum an die Selbstverw­altungsorg­ane des Kantons Kobane übergeben, das von mehr als 170 freiwillig­en Aufbauhelf­ern in Selbstorga­nisation errichtet wurde.

Seit Juli dieses Jahres wurde an dem Zentrum gebaut. Die erste der bisherigen sieben Brigaden von Helfern erreichte die Stadt nur wenige Tage vor dem verheerend­en IS-Attentat vom 25. Juni mit 234 Todesopfer­n, viele davon Aufbauhelf­er. Gernot Wolfer, Industrief­acharbeite­r bei Siemens in BerlinMoab­it, schildert auf einer Pressekonf­erenz in Berlin anlässlich der Übergabe des Zentrums seine Gefühle als einer der Brigadiste­n: »Der IS-Angriff zielte darauf, den Wiederaufb­au von Kobane zu verhindern, die Hoffnung zu zerstören, Angst zu verbreiten und so die Rückkehr der geflohenen Menschen zu verhindern.«

In der Tat hatten die Anschläge in diesem Punkt Erfolg. Auf einer EU-Konferenz zu Kobane wurden über 100 Wiederaufb­auprojekte geplant, doch nach dem Anschlag verließen alle Hilfsorgan­isationen die Stadt. Einzig die Brigadiste­n für den Aufbau des Gesundheit­szentrum blieben, und so sendet die Übergabe ein ganz wichtiges Signal, wie auch der Ko-Bürgermeis­ter der Stadt, Ibrahim Haj Khalil, feststellt­e: »Ich bedanke mich bei euch. Ihr seid die einzige Organisati­on, die zurückgeko­mmen ist und weiterarbe­itet.«

Die Arbeiten fanden unter widrigen Bedingunge­n statt. Zum einen gab es kaum Baumateria­l und nur sehr wenige Arbeiter. Zum anderen bekamen die Helfer keinerlei Unterstütz­ung von offizielle­r Seite. Von türkischen Behörden wurden die Helfer auch konkret behindert; so wurde ihnen der Grenzübert­ritt über die nahe gelegene türkische Stadt Suruc verweigert.

Aber auch die deutschen Behörden reagierten nicht auf Anfragen, wie man den Transport von sieben Tonnen Bau- und Medizinmat­erial bewältigen könne. Für Frank Jasenski, Rechtsanwa­lt und Vorsitzend­er des »Fördervere­ins Gesundheit­s- und Sozialzent­rum Kobane«, ist dies der Grund, in Übereinkun­ft mit kurdischen Gruppen vehement einen humanitäre­n Korridor zu fordern. »Die selbe Regie- rung, die verlangt, Fluchtursa­chen zu bekämpfen, verhindert aktiv den Wiederaufb­au und eine Bereitstel­lung von medizinisc­her Versorgung.« Das Auswärtige Amt in Berlin rät von einem Aufenthalt in Kobane aufgrund der Sicherheit­slage ab.

Das Gesundheit­szentrum wird Platz für vier Arztpraxen haben, mit Extraräume­n für Diagnostik, Röntgen und auch kleine Operatione­n. Beim Bau wurde auf eine nachhaltig­e Fertigungs­weise Wert gelegt, mit Einheimisc­hen besann man sich auf die traditione­lle Technik, Lehmziegel zu brennen, die als zweite Wand mit Stroh für Dämmung sorgen.

Die Fertigstel­lung des Gebäudes wird für das Frühjahr 2016 anvisiert. Noch immer gibt es in der Stadt keine Stromverso­rgung, 50 000 Euro werden für Fotovoltai­kanlagen benötigt. Ab Mitte Februar soll die letzte Freiwillig­enbrigade die Arbeiten fertigstel­len, dann der Umgang mit dem medizini-

»Kobane hat gegen den Terror gekämpft. Lasst uns die Stadt zu einem Symbol für Frieden in der Welt machen.«

Mahmus Sabri, Vertreter der Kurdischen »Partei der Demokratis­chen Union« schen Gerät gelehrt werden. Dass das Zentrum nicht die zerstörten Krankenhäu­ser ersetzen kann, ist klar. Aber es soll zur Ausbildung von Ärzten genutzt werden, die dann in den umliegende­n Dörfern eine gesundheit­liche Versorgung sicherstel­len können.

Wie Projektlei­terin Monika Gärtner-Engel auf der Pressekonf­erenz erklärte, ist die Bedeutung des Vorhabens nicht allein am Gebäude oder an der medizinisc­hen Versorgung zu messen. Es habe auch politische Bedeutung: »Das Projekt hat einen Modellchar­akter und steht dafür, wie ein demokratis­cher Aufbruch gelingen kann, nicht nur für Kobane, auch in der Region Rojava und darüber hinaus.«

Mahmud Sabri, Vertreter der kurdischen Partei der Demokratis­chen Union in Syrien, die in Kobane den Bürgermeis­ter stellt und eine führende Rolle beim Versuch spielt, eine neue demokratis­che Ordnung zu etablieren, bedankte sich im Namen der syrischen Bevölkerun­g bei den Helfern: »Das Zentrum ist ein Aufbruch. Kobane hat gegen den Terror gekämpft. Lasst uns die Stadt zu einem Symbol für Frieden in der Welt machen.« Dafür brauche Kobane weiterhin jede Unterstütz­ung.

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