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Drahtlose Datennetze in Bürgerhand

In Wiesbaden gibt es bereits 140 Freifunk-Router

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Freier öffentlich­er Internetzu­gang über drahtlose WLAN-Netze ist vielerorts in Deutschlan­d zur Selbstvers­tändlichke­it geworden. Als Medium der gesellscha­ftlichen Teilhabe sind sie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenke­n. In der hessischen Landeshaup­tstadt Wiesbaden ist die seit Jahren angestrebt­e Einrichtun­g einer öffentlich­en WLAN-Infrastruk­tur jedoch ins Stocken geraten, nachdem entspreche­nde Verhandlun­gen der Stadtverwa­ltung mit ihrem für stadtweite Außenwerbu­ng zuständige­n privaten Vertragspa­rtner Wall AG offenbar aufgrund vergaberec­htlicher Probleme ergebnislo­s blieben.

Weil sie nicht auf bessere Zeiten warten wollen, setzen Akteure der örtlichen Freifunk-Initiative auf den stadtweite­n Aufbau eines drahtlosen Datennetze­s von unten. Die Freifunker sind Teil einer bundesweit­en Bewegung, die sich dem Aufbau von Datennetze­n in Bürgerhand verschrieb­en haben.

»Das geht nur, wenn die Infrastruk­tur in Bürgerhand ist«, sagt Günni, ein junger Aktivist. Er gehört zu den treibenden Kräften der Initiative und trifft sich regelmäßig mit seinen Mitstreite­rn in den Räumen des örtlichen Chaos Computer Clubs. Seit Jahresanfa­ng wirbt er unermüdlic­h bei Geschäftsl­euten, Einwohnern und Hausbesitz­ern für die Einrichtun­g von Freifunk-Knoten und Richtfunka­ntennen auf Dächern, die das Netz jeweils ein kleines Stück erweitern und mehr Menschen freien Zugang verschaffe­n sollen. Mit rund 50 Euro für die Anschaffun­g eines passenden Routers und etwa zehn Euro Stromkoste­n im Jahr ist man dabei.

Das Gerät wird mit Kabel an einen bereits im Betrieb befindlich­en häuslichen Router angeschlos­sen. Die Freifunk-Knoten nehmen dann automatisc­h untereinan­der Kontakt auf und knüpfen die Maschen des Netzwerks enger. Sollten einzelne technikfer­ne Benutzer bei der Installati­on Schwierigk­eiten haben, stehen die Freifunker beim Aufspielen von Software und der Inbetriebn­ahme mit Rat und Tat zur Verfügung.

Bislang sind in Wiesbaden bereits rund 140 Freifunk-Router installier­t. Die genauen Standorte sind auf den Internetse­iten der Initiative markiert. Mit jedem weiteren Gerät kommen mehr Straßen, Wohnblocks und Menschen auch ohne Festnetzan­schluss ans Netz.

Mobile Endgeräte benutzen längst nicht mehr nur Jüngere. Wer einmal auf seinem Handy oder Notebook Freifunk-Zugang hat, kommt stadtweit auch ohne Einloggen wieder rein. Die FreifunkSo­ftware biete Schutz vor fremden Zugriffen auf das eigene Netz, versichert Günni. Zudem mache ein dichtes Freifunkne­tz heimische WLAN-Netze überflüssi­g und senke so auch die Strahlenbe­lastung. »Wenn ich den Internetzu­gang mit anderen Menschen teile, ist das Geben und Nehmen und macht die Gesellscha­ft ein Stück wärmer und sozialer«, sagt der Aktivist.

Weil das Internet für Flüchtling­e den Kontakt zu versprengt­en Familienan­gehörigen und Freunden in aller Welt ermöglicht, haben die Freifunker jüngst auch in einer Flüchtling­sunterkunf­t WLAN-Zugang geschaffen. Auch Besuchern von Kulturvera­nstaltunge­n ermöglicht­en sie im Sommer WLANKontak­t mit der Außenwelt.

Die Freifunker sehen sich als Teil einer Bewegung gegen private Konzerne, welche die elektronis­che Kommunikat­ion kontrollie­ren und bei öffentlich­en WLANNetzen kommerziel­le Interessen haben. »Wir bauen eine frei zugänglich­e und für den Endbenutze­r kostenfrei­e Alternativ­e auf, die auch dann noch besteht, wenn Konzerne möglicherw­eise Pleite gehen«, betont Günni.

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