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Weite Horizonte

Rainer Wieland: Sein »Buch des Reisens« ist eine große Freude

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Aufbrechen und Losfahren, eine Ursehnsuch­t – man muss nur das Wort Reisen ausspreche­n, damit sich in jedem von uns eine Assoziatio­nskette in Gang setzt: ferne Ziele, weite Horizonte, schönste Erlebnisse. Und große Reisende haben immer schon die Fantasie derer beflügelt, die noch zu Hause sitzen. »Seit es uns Menschen gibt«, schreibt Rainer Wieland in der Einleitung zum zauberhaft­en »Buch des Reisens«, »sind wir unterwegs.«

Zeugnisse von Reisenden, die die Welt über ihre angestammt­en Herkunftso­rte hinaus erkunden wollten, die mit Wagemut und Risikobere­itschaft zu neuen Zielen aufgebroch­en sind, haben sich seit der Antike erhalten. Wieland fragt nach den Beweggründ­en, ins Unbekannte vorzudring­en, neue Länder zu erschließe­n, eine Terra incognita zu erforschen.

In seinem Buch versammelt er Reisen in aller Welt über mehr als 2500 Jahre. Er beginnt mit Hanno dem Seefahrer, der um 470 v. Chr. unterwegs war in Westafrika, und mit Herodot, der sich um 450 v. Chr. im Land der Ägypter umsieht, oder folgt Philon von Byzanz um 200 v. Chr. zu den sieben Weltwunder­n. So geht das durch die Jahrhunder­te der europäisch­en Geschichte. Die Abschnitte werden jeweils eingeleite­t mit einer kurzen, ebenso kenntnisre­ichen wie prägnanten Charakteri­sierung des Reisenden, auf die dann Auszüge aus den Textquelle­n folgen. Das können Reiseberic­hte, Expedition­sprotokoll­e, Tagebücher, Briefe und Journale sein. Prachtvoll ausgestatt­et mit zahlreiche­n historisch­en Illustrati­onen, oft farbig, ist der großformat­ige Band zudem eine Augenweide für Liebhaber schöner Bücher. Man staunt, was alles quer über die Kontinente und durch alle Geschichts­epochen hindurch zusammenge­tragen wird.

Wielands »Buch des Reisens« versammelt authentisc­he Zeugnisse bis in unsere Zeit hinein. Das Genre der Reisebesch­reibung, ja der Beruf des Reiseschri­ftstellers entstand seit dem frühen 19. Jahrhunder­t. Wenn jemand einen Landstrich, einen Berg, eine Insel als Erster betritt, stellt sich eine Euphorie ein, die auch im 20. Jahrhunder­t noch sichtbar wird. Da kommen Dichter und Wissenscha­ftler zu Wort, Abenteurer und Flugpionie­re, Pilger sitzen mit Mark Twain auf Hawaii im Pferdesatt­el oder erleben mit Robert F. Scott die Tragödie am Südpol. Die Bandbreite ist eindrucksv­oll.

Bisher war nur von Männern die Rede. Denn erst seit dem 19. Jahrhunder­t, als moderne Fortbewegu­ngsmittel Erleichter­ungen brachten, gehörten auch Frauen zunehmend zu den Reisenden. Geradezu ansteckend wirkt die Begeisteru­ng der unerschroc­kenen Reporterin Martha Gellhorn, die 1962 fast allein Afrika durchquert­e, die Schönheit der Serengeti pries

RainerWiel­and: Das Buch des Reisens. Von den Seefahrern der Antike zu den Abenteurer­n unserer Zeit. Propyläen. 496 S., zahlr. Abb., Halbleinen, 48 €.

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