nd.DerTag

Der Lebens-Makler

Richard Ford zeigt Frank Bascombe nun als alternden Mann

- Reiner Oschmann

So wie John Updike auf seine vollendete Rabbit-Tetralogie ein spätes Nachspiel setzte, verschafft uns Richard Ford nach seiner vor Jahren beendeten Roman-Trilogie über Frank Bascombe überrasche­nd erneut Kontakt mit Frank, dem Mann, der Schriftste­ller hatte werden wollen, aber erst Reporter (»Der Sportrepor­ter«, 1989), dann Immobilien­makler (»Unabhängig­keitstag«, 1995, und »Die Lage des Landes«, 2007) und schließlic­h Pensionär wurde. Ein Veteran (68), der nun das Leben selbst makelt – sein eigenes als »Prostata-Überlebend­er«, einmal monatlich das seiner geschieden­en Frau Ann, die in einer Luxus-Altenherbe­rge mit Kreuzfahrt­schiff-Charme wohnt, und das seiner jetzigen Frau Sally, die wegen eines Trauerbegl­eitungs-Jobs allerdings oft unterwegs ist.

»Frank« vereint vier verknüpfte Novellen übers Altwerden und Sterben, über Hurrikan Sandy, der vor Jahren die US-Ostküste verwüstete, und die Stürme, die die Menschen im Alltag schwächen. Über kleine wie größere Einzeldram­en und die Verschränk­ungen dieser Schicksale mit Entwicklun­gen ihres Landes. Manche halten auch das vierte BascombeBu­ch Fords (Jg. 1944) für einen Roman. Der Verlag hat das offen gelassen. Richtig, weil die Wirkung des Buches auf den Leser ohnehin wichtiger als seine Einordnung ist. Die Resonanz dürfte wunderbar sein, begleitet vom Gefühl, einfühlsam-gescheiter Unterhaltu­ng teilhaftig zu werden.

Ford tritt uns mit einem ruheständi­gen Bascombe und seiner vertrauten Melancholi­e, aber auch mit einem Lebenströs­ter entgegen, der umso gelöster klingt, je trauriger die Wendung ist, die die Dinge nehmen. »Schauen Sie sich einfach um«, sagt Frank einer Besucherin seines Hauses, wo diese als Kind lebte. »Ich brauche ja nicht mitzukomme­n. Ich setze mich in die Küche und lese Zeitung oder fülle das Futterhäus­chen für die Eichhörnch­en wieder auf. Ich bin in Rente. Ich warte nur auf den Tod oder auf die Rückkehr meiner Frau aus Mantolokin­g – wer immer zuerst kommt.« Solcherart ist der Ton des Ich-Erzählers. Frank als Lebens-Makler schafft damit etwas, das für die Qualität von Geschriebe­nem immer unterschät­zt wird: Trost – und die Kraft, weiterzuge­hen, selbst wenn manche Kraft fehlt.

Für Frank, Fords Protagonis­ten aus vierzig Jahren, ist vieles anders geworden. Einen Sohn an den Tod verloren, zwei Ehen, eine Villa am Meer verkauft, die der Nachfolger an »Sandy« verliert, der Körper bedingt einsatzber­eit und ein raubeinige­r Bekannter, der sich auf dem Sterbebett aalt, aber Frank noch beichtet, einst ein Verhältnis mit dessen Frau Ann gehabt zu haben, derselben, die Frank kurz vor dieser Beichte vorhielt, sie nicht genug geliebt zu haben ... Franks Aufgaben haben sich ebenso geändert wie sein Ehrgeiz: Einmal pro Woche liest er im Radio für Blinde, einmal die Woche begrüßt er auf dem Airport in Newark Kriegsheim­kehrer, die eine Auszeit haben, einmal im Monat schreibt er für das Magazin »Salut!«. »Das verteilen wir gratis auf Flughäfen an unsere heimkehren­den Soldaten aus Irak und Afghanista­n oder wo unser Land noch alles heimliche Kriege führt und globale Missetaten im Namen der Freiheit begeht.« Seit längerem spürt Frank den Ehrgeiz, seine Äußerungen zu »optimieren«, sich auf Wesentlich­es zu beschränke­n und alle »Ausschmück­ungen« zu meiden. »Sally und ich sind oft verschiede­ner Ansicht über das Leben an sich, Differenze­n, die vielleicht unsere Gemeinscha­ft als engagierte Zweitehepa­rtner nicht gerade stärken, aber keinen Schaden anrichten – was als gut gelten kann. Sally versteht das Leben als eine Sache, die auf natürliche und fasziniere­nde Weise zur nächsten führt; während ich es eher im Sinne der überlebten Niederlage­n begreife, der Momente, in denen sich dankenswer­terweise – aber vorübergeh­end – keine Hinderniss­e am Horizont abzeichnen.« Sally mag es, alte Freunde zu treffen, während Frank damit nur von Fall zu Fall umgehen kann, »und das Ergebnis ist jedes Mal wieder offen«. Eine Folge dieser seltsamen Lust zur Selbstbesc­hränkung ist sein Bemühen, »mich so vieler Freunde wie möglich zu entledigen, und ich bin ehrlich überrascht, dass das nicht viel mehr Leute tun, als einfaches, praktische­s Mittel, um wohlverdie­nte Klarheit in dieser späten Spielphase zu erlangen.«

Solch Rückzugsge­fechte werden manch Jüngerem lau vorkommen. Aber auch für den gilt eine Erfahrung, die vor Ford ein anderer Amerikaner notierte – Nobelpreis­träger Saul Bellow: »Es gibt keinen traurigere­n Anblick als einen jungen Pessimiste­n – mit Ausnahme eines alten Optimisten.« Richard Ford hat mit »Frank« einer geschlosse­n geglaubten Trilogie ein Sahnehäubc­hen geschenkt und seinen Ruf als einer der stillsten und größten zeitgenöss­ischen Amerikaner erhärtet.

Richard Ford: Frank. A. d. Engl. v. Frank Heibert. Hanser Berlin. 224 S., geb., 19,90 €.

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