nd.DerTag

Von dunklem Stoff, der sogar flüstern kann

Roberto Trotta lädt zu einer Reise in das Universum ein – in tausend einfachen Worten und einigen lyrischen Übertreibu­ngen

- Dieter B. Herrmann

Schon der Titel macht neugierig: Sollte das Buch wirklich nur aus 1000 Wörtern bestehen? Und überdies aus einfachen. Sie sollen genügen, das Universum zu erklären? So ist es. In einer poetischen, oft fast kindlichen Sprache entführt uns Roberto Trotta in die chilenisch­e Atacama-Wüste, wo die größten Teleskope der Welt in trockener Höhe zum Himmel gerichtet werden.

Wir begleiten eine Forscherin, die hierher gekommen ist, um die größten Rätsel der Astronomie zu entschlüss­eln. Während die Teleskope ihre Arbeit verrichten und Unmengen von Daten auf den Rechner transporti­eren, sinniert sie nach, wie alles dereinst begann – Gelegenhei­t für historisch­e Exkurse des Autors. Doch auch all die fasziniere­nden Fragen der heutigen Zeit kommen zur Sprache: die rätselhaft­e Dunkle Materie und die ebenfalls noch ganz unverstand­ene Dunkle Energie, die das Weltall immer schneller auseinande­r treibt. Der Leser und die Leserin erfahren, durch welche Beobachtun­gen man dazu kam, diese Phänomene zu entdecken und worin die Schwierigk­eiten begründet liegen, sie zu verstehen. Dass wir dazu auch die Welt des Kleinsten, die Elementart­eilchen und ihre Geheimniss­e enträtseln müssen, erfahren wir ebenfalls. So werden auch die Zusammenhä­nge zwischen der Suche nach dem Anfang der Welt und jenen großen Experiment­en klar, die gegenwärti­g im Europäisch­en Kernforsch­ungszentru­m CERN in Genf durchgefüh­rt werden. Als sich die Nacht auf dem Cerro Paranal dem Ende zuneigt, hat unsere Protagonis­tin einen verrückten Gedanken: Vielleicht ist irgendwo da draußen eine andere Frau, die genauso aussieht wie sie, die bis in die kleinste Zelle genau so ist wie sie und die jetzt genau das Gleiche tut. Wie diese Geschichte ausgeht und ob sie diese kosmi- sche Doppelgäng­erin findet, wird hier natürlich nicht verraten.

Über eines wundert man sich allerdings. Wenn Autor und Verlag Erklärunge­n in »1000 einfa- chen Wörtern« verspreche­n, warum dann neue Begriffe für Wohlbekann­tes erfinden? Jedes Kind weiß, was ein Teleskop und Planeten sind. Hier ist von »Groß-Seher« und »Verrückten Sternen« die Rede. Und wozu ersetzt der Autor den »Forscher« durch den »Such-Menschen«? Sogar feststehen­de Termini der Astronomie werden kühn verworfen. Die »Dunkle Materie« wird zum »Dunklen Stoff«, der sogar flüstern kann. Mag sein, dass der Autor mit fast lyrischer Sprache besonders originell sein wollte. Zum Glück gibt es noch ein Glossar, hier »Erläuterun­g einiger Ausdrücke« genannt.

Roberto Trotta: Alles über das All – erzählt in 1000 einfachen Wörtern. A. d. Englischen von Andreas Wirthensoh­n. C.H. Beck. 125 S., geb., 14,95 €.

Newspapers in German

Newspapers from Germany