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Die Freiheit über den Wolken

Jurij Koch lässt sich viel einfallen, damit eine Gans nicht zum Weihnachts­braten wird

- Die Freiheit über den Wolken grenzenlos Irmtraud Gutschke

Es ist nicht die erste gerettete Weihnachts­gans, von der hier zu erfahren ist. Wer kennt nicht Friedrich Wolfs »Weihnachts­gans Auguste«. Aber dies ist eine ganz heutige Geschichte, und Jurij Koch hat sich eine Menge einfallen lassen dafür.

Da es aber ein Bilderbuch ist, muss mit dem Autor zusammen gleich der Illustrato­r genannt werden. Auch Thomas Leibe setzte auf Überraschu­ngen und Witz. Dazu lässt er die Farben leuchten. Was ist das denn: Auf Seite 12 muss man das Buch umdrehen, um den Text zu lesen. Denn ein kleines Flugzeug war von »Bliwodon« – BlitzWolke-Donner – getroffen worden. Eine Hälfte des Propellers schmorte ab, und die Maschine stand zeitweilig Kopf. Was dieses Flugzeug mit der Rettung einer Gans zu tun hat? Ganz einfach, neben dem Piloten, einem Tierfilmer, sitzt ein kleiner Junge mit Gans Helene auf dem Schoß. Am Ende des Buches soll dieses Flugzeug noch eine wichtige Rolle spielen.

Doch zunächst von Anfang an: Da ist es zum Beispiel wichtig, dass die Gans einen Namen hat. Sie heißt genau so wie die Cousine des Jungen. An die denkt der Vater freilich nicht, wenn er von Gänsebrate­n träumt. Zu Weihnachte­n, spätestens zu Silvester, soll Helene in die Pfanne und dann mit Klößen und Rotkraut auf den Teller.

Was kann ein kleiner Junge da tun, um die Gans zu retten? Weil er sie lieb hat, doch irgendwie ist ihm von Anfang an klar, dass er sie nicht zugleich behalten kann. Freilassen müsste er sie. Aber: »Meine Versuche mit dem offenen Gattertürc­hen blieben erfolglos. Jeden Morgen saß Helene, den Schnabel im Gefieder, sorgenfrei im Stroh.«

Dumme Gans? Nein, sie ist einfach vertrauens­voll, ein Haustier, nicht geübt im Fliegen. Da kann der Junge mit den Armen wedeln und ihr das Lied vorsingen, in dem es heißt, »dass

sei«, der Reiz der Freiheit ist Helene fremd. Sie begreift einfach nicht, wie bedroht sie ist. Dafür begibt sich der Junge für sie in Gefahr.

Und der Vater? Er scheint es gar nicht zu merken. Sitzt im Bierzelt beim Skatwettbe­werb, während der Junge schon wieder auf eine neue Idee kommt. Am Ende aber, so viel sei verraten, wird er wohl auf seinen Braten verzichten oder sich eine Gans aus der Tiefkühltr­uhe holen müssen. – Ein vergnüglic­hes Bilderbuch für Weihnachte­n, allerdings nicht, wenn es Gänse- oder Entenbrate­n geben soll.

Jurij Koch: Helene, hau ab! Ill. v. Thomas Leibe. Lychatz Verlag. 32 S., geb., 9,95 €.

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