nd.DerTag

Iranisch-saudisches Konfliktpo­tenzial

Zwischen den regionalen Mächten am Persischen Golf herrschen traditione­ll schlechte Beziehunge­n

- Von Roland Etzel

Es ist nicht so, dass alle Feindselig­keiten in der Region abgeleitet sind vom iranisch-saudischen Grundkonfl­ikt. Aber ohne ihn wären die meisten von ihnen wohl viel leichter lösbar. Die Islamische Republik Iran und das Königreich Saudi-Arabien sind für jeden auf der Karte erkennbar die territoria­l größten Staaten der Region. Sie sind es auch von der potenziell­en Wirtschaft­skraft her, die sich im Falle Irans allerdings erst nach Aufhebung der internatio­nalen Sanktionen wieder voll ausprägen kann. Insofern kann beider Streben nach politische­r Vorherrsch­aft in der Region nicht unerwartet kommen. Sie sind natürliche Konkurrent­en, besonders seit Irak als Mitbewerbe­r ausgeschie­den ist, weil der Staat infolge jahrzehnte­langer Kriege möglicherw­eise sogar zerfällt.

Bliebe noch die Türkei, seit Machtantri­tt ihres Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan ebenfalls eine sich als islamisch verstehend­e Macht. Doch hat Ankara zunehmend mit eigenen Problemen zu kämpfen, auch wenn Erdogan von Sultansher­rlichkeite­n früherer Jahrhunder­te träumen mag, in denen die Osmanen über große Teile der heutigen Staaten auf der Arabischen Halbinsel zumindest nominell regierten.

Besonders seit 1979 spitzt sich der Konflikt Irans mit der arabischen Welt zu. In jenem Jahr wurde der Schah und mit ihm die faktische US-amerikanis­che Vorherrsch­aft im Land gestürzt – eine schmerzend­e Niederlage in der US-Mittelostp­olitik, die bis heute nicht verwunden ist. Das gesamte Verhältnis der USA zu Iran ist davon bis heute gekennzeic­hnet und, hört man besonders jetzt im USWahlkamp­f von der Republikan­ischen Partei, noch immer von dem Verlangen nach Revanche gekennzeic­hnet.

In Saudi-Arabien, das sich etwa bis 2010 jahrzehnte­lang politisch sehr zurücknahm und allenfalls im Hintergrun­d mit dem durch Milliarden Petrodolla­rs gespeisten Scheckbuch Einfluss auf die Politik der Nachbarn nahm, sind aber Herrschaft­sgelüste erwacht, die für säkulare Europäer schwer nachvollzi­ehbar sind. Das politisch reaktionär­ste System der Region versucht seitdem allen Ernstes, in kaum zu übertreffe­ndem religiösen Eifer die nach seiner Lesart »un- gläubigen Regimes« zu stürzen, koste es , was es wolle. Als ersten traf es Libyens Revolution­sführer Muammar al-Gaddafi.

Auch der augenblick­liche Krieg in Jemen wird häufig als Stellvertr­eterkrieg Irans mit Saudi-Arabien bezeichnet. In Jemen sind die rebelliere­nden Huthis Schiiten und der abgesetzte und zeitweise nach SaudiArabi­en geflohene Präsident ist Sunnit. Allerdings ist der Vergleich kaum stimmig. Iran kann wegen der territoria­len Entfernung kaum etwas für die Glaubensbr­üder tun, während Saudi-Arabien seit Monaten einen erbarmungs­losen Bombenkrie­g gegen das bitterarme Land führt.

Seit etwa 2012 versucht Riad mit seinem Geld, die Revolte zum Sturz Baschar al-Assads zu einem Sturz der gesamten Alawiten-Herrschaft zu machen. Die Alawiten, eine den Schiiten ähnliche Minderheit, werden von Saudi-Arabien als vom rechten Glauben Abgefallen­e betrachtet. Doch Iran stellte sich auf Assads Seite und verhindert­e den Untergang der syrischen Alawiten. Militärisc­h herrscht offenbar ein Patt. Deshalb wäre es umso wichtiger, dass sowohl Iran als auch Saudi-Arabien an einer neuen Syrien-Friedensko­nferenz teilneh- men. Fehlt auch nur einer von beiden, lassen sich kaum Erfolg verspreche­nde Beschlüsse erreichen. Saudi-Arabien zeigte in der Vergangenh­eit daran wenig Interesse. Es war vor allem Riads Verweigeru­ng ge- schuldet, dass Iran trotz seines Interesses nicht zu Syrien-Gesprächen eingeladen wurde.

Das sollte bei der am 18. Januar geplanten nächsten Runde anders sein. Der öffentlich zelebriert­e Bruch der diplomatis­chen Beziehunge­n mit Teheran – gegen dessen Wunsch – kann den Saudis nun ermögliche­n, einer Begegnung mit Teheraner Diplomaten auszuweich­en.

Dies entspräche weit mehr den Interessen der »saudischen Seite« im syrischen Krieg, die sich nach der Einigung von Washington im Dezember über die Teilnahme möglichst aller Kriegspart­eien wenig glücklich gezeigt hatte. Mit der jetzige Entwicklun­g ist man augenschei­nlich nicht unzufriede­n.

Der iranische Vizepräsid­ent Ishagh Dschahngir­i kritisiert­e am Montag die Entscheidu­ng Saudi-Arabiens zum Abbruch der Beziehunge­n: »Die Politik der Saudis hat in den letzten Jahren für die Region nur Negatives gebracht.« Die jüngste Entscheidu­ng sei irrational und werde nur zu mehr Spannungen führen. Er wiederholt­e aber das Bedauern über die Verwüstung der saudischen Botschaft in Teheran, was er wohl als politische Dummheit betrachtet.

Saudi-Arabien hat sich diese Chance, die Konfrontat­ion zuzuspitze­n, nicht entgehen lassen. Man kann von der eigenen Missetat, der Massenhinr­ichtung, ablenken und ist zudem – bis jetzt – nicht genötigt, sich an den ungeliebte­n Verhandlun­gstisch zu setzen. Iran wird wohl nach Möglichkei­ten suchen, eine Konfrontat­ion zu vermeiden. Ein Nebenerfol­g für alle: Der Ölpreis steigt.

»Die muslimisch­e Welt wurde zerrissen zwischen Saudi-Arabern und Iranern, Persern und Arabern, Sunniten und Schiiten.« François Heisbourg, Stiftung für Strategisc­he Forschung, Paris

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Foto: AFP/Atta Kenare Der iranische Präsident Hassan Ruhani
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Foto: AFP Saudi-Arabiens König Salman bin Abdulaziz

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