Aus der Zelle
Can Dündars kritische Stimme ist selbst im Gefängnis nicht zum Schweigen zu bringen. Seit Ende November hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan den unbeugsamen Journalisten wegen »Spionage« und der »Verbreitung von Staatsgeheimnissen« im Silivri-Gefängnis am Stadtrand von Istanbul einsperren lassen. Dündars Kampfgeist ist jedoch ist nicht zu brechen. Jetzt schreibt er von seiner Zelle aus seine kritischen Kolumnen für die Oppositionszeitung »Cumhuriyet«: über seine Ankunft im Gefängnis. Gespickt mit ironischen Kommentaren über die Anklagepunkte.
Dündar hatte den Zorn Erdogans spätestens auf sich gezogen, als er im Mai 2015 über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes MIT an die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien berichtete. Die Kritik am rechten Establishment der Türkei ist seit jeher Dündars Spezialität. In seinen Kolumnen kritisiert er die Verflechtungen der rechten AKP mit dem türkischen Militär und die Arroganz der Bourgeoisie.
Der Journalist selbst wurde 1961 in eine Beamtenfamilie hineingeboren. Nach dem Besuch eines der besten Gymnasien des Landes studierte Dündar Journalismus und Politik in England. Die Gezi-Proteste 2013 begleitete er in der liberalen Zeitung »Milliyet« mit regierungskritischen Beiträ- gen. Daraufhin wurde er entlassen – um als neuer Chef der »Cumhuriyet« seine scharfe Kritik fortzuführen. Einen kräftigen Schlag gegen das Regime stellte ein Titelblatt im April dar, auf dem die auf Armenisch geschriebene Schlagzeile »Nie wieder« an den 100. Jahrestag des Genozids an den Armeniern erinnerte.
Dass Dündar nicht gewillt ist, seinen Mund zu halten, machte er gleich nach seiner Verhaftung deutlich. Gemeinsam mit Erdem Gül, dem ebenfalls inhaftierten Leiter des »Cumhuriyet«-Hauptstadtbüros, schrieb er einen Offenen Brief an EU-Staats- und Regierungschefs. Darin warnten sie davor, die Pressefreiheit für ein Entgegenkommen der Türkei in der Flüchtlingspolitik zu verraten. Dündars Sohn Ege ist ebenfalls Journalist geworden.