nd.DerTag

Das Übel wird frech

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Silvia Ottow hält die Rückkehr zur paritätisc­hen Finanzieru­ng in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung vorläufig für erledigt

Es ist jetzt über zehn Jahre her, dass Ulla Schmidt von der SPD und Horst Seehofer von der CSU in einer berühmt gewordenen Nacht der Kompromiss­e die kleine Kopfpausch­ale aushandelt­en. Sie hielt unter dem Namen Zusatzbeit­rag Einzug in die Krankenkas­sen. Verglichen mit der großen Kopfpausch­ale, einer komplett vom Arbeitnehm­er zu tragenden Versicheru­ng, die damals von der Union angestrebt wurde, galt sie als kleines Übel. Manch ein Sozialdemo­krat erklärte gar, daraus einst eine paritätisc­he – also gleicherma­ßen von Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn getragene – Bürgervers­icherung basteln zu können. Was für ein Irrtum!

Das kleine Übel wächst hartnäckig, kommt in die Pubertät und wird frech. Und ehrlich gesagt, genau so war es gedacht. Alles, was uns medizinisc­her Fortschrit­t, höheres Alter, stressiger­e Arbeitsbed­ingungen und – nicht zu vergessen – die Gier von Pharmafirm­en und Klinikkonz­ernen künftig an Kosten aufbürden, werden Arbeitgebe­r nicht mitbezahle­n. Die Konsequenz: Es gibt kein Interesse mehr an Kostensenk­ungen im Gesundheit­sbereich, und Kräfte wie die Gewerkscha­ften, die vor Jahren schon einmal ankündigte­n, diese unsoziale Gesundheit­spolitik zu bekämpfen und zum Wahlkampft­hema zu machen, werden erneut scheitern.

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