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Der kalkuliert­e Eklat

CSU fordert erneut Flüchtling­sobergrenz­en und brüskiert damit Kanzlerin Angela Merkel

- Von Aert van Riel

Vor ihrer Klausurtag­ung in Wildbad Kreuth plustert sich die CSU auf und stellt rechtspopu­listische Forderunge­n in der Asylpoliti­k. Die von Regierungs­sprecher Steffen Seibert angekündig­te Freude von Bundeskanz­lerin Angela Merkel auf die Begegnung und die Diskussion mit den CSU-Bundestags­abgeordnet­en im Rahmen der Klausur in Wildbad Kreuth dürfte sich in Grenzen halten. In Wirklichke­it steht der CDU-Vorsitzend­en wenige Wochen nach dem Parteitag in München, wo sie von CSU-Chef Horst Seehofer wegen ihrer Flüchtling­spolitik heftig angegriffe­n wurde, ein weiterer unangenehm­er Besuch in Bayern bevor. Bei dem dreistündi­gen Treffen in dem in den Alpen gelegenen ehemaligen Sanatorium wird es am Mittwoch erneut um die zwischen den konservati­ven Schwesterp­arteien bestehende­n Differenze­n im Umgang mit den vielen Asylbewerb­ern gehen, die derzeit nach Deutschlan­d kommen. Die CSU will in Wildbad Kreuth Beschlüsse fassen, die der bisherigen Linie Merkels widersprec­hen. Dazu zählt eine Obergrenze bei der Aufnahme von Schutzsuch­enden.

Am Wochenende hatte Seehofer in der »Bild am Sonntag« erstmals eine konkrete Zahl genannt. Deutschlan­d solle jährlich maximal 200 000 Flüchtling­e aufnehmen, tönte der bayerische Ministerpr­äsident. Dagegen hatte der Karlsruher CDU-Bundespart­eitag im Dezember solche Obergrenze­n abgelehnt. Dass ihre Forderung nicht durchsetzb­ar ist, weil sie unter anderem gegen das geltende deutsche Asylgrundr­echt verstößt, wie Vertreter aller anderen im Bundestag vertretene­n Parteien betonten, weiß die CSU wohl selber. Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze.

Mit ihrem Vorstoß will die CSU vielmehr ihren Anhängern zeigen, dass sie rechts von der CDU steht und die aus ihrer Sicht zu liberale Angela Merkel mit markigen Sprüchen brüskieren kann. Zudem soll die Schwesterp­artei unter Druck gesetzt werden, den Zuzug von Flüchtling­en durch diverse Maßnahmen weiter zu begrenzen. Dazu sind die Christdemo­kraten und ihr Koalitions­partner SPD grundsätzl­ich bereit. Sie haben in den vergangene­n Wochen beispielsw­eise die Kooperatio­n mit der autoritär regierten Türkei verstärkt, um Flüchtling­e von der Einreise nach Europa abzuhalten.

Seehofer und seinen Parteifreu­nden reicht das offensicht­lich nicht. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann sagte im ZDF, dass nach einer europäisch­en Regelung Flüchtling­e in jenem EU-Land Asyl beantragen sollen, in dem sie zuerst ankämen. Dies treffe auf mehr als 90 Prozent der Flüchtling­e zu, die nach Deutschlan­d kämen und somit hierzuland­e keinen Anspruch auf Asyl hätten. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass diese menschenun­würdige Dublin-Regelung inzwischen gescheiter­t ist. Die Bundesregi­erung hatte im Herbst vergangene­n Jahres zwischenze­itlich angekündig­t, dass keine syrischen Bürgerkrie­gsflücht-

Die Leidtragen­den der bizarren Obergrenze­ndebatte werden wohl die Asylbewerb­er sein.

linge mehr in die Staaten mit EU-Außengrenz­en zurückgesc­hickt werden. Diese humanitäre Aktion war nicht im Sinne der CSU.

Ihr Kalkül, die Flüchtling­sdebatte in der CDU anzuheizen, könnte nun aufgehen. Das liegt auch daran, dass die Christdemo­kraten bei den fünf in diesem Jahr anstehende­n Landtagswa­hlen fürchten müssen, zahlreiche Wähler an die rechte AfD zu verlieren. Guido Wolf, CDU-Spitzenkan­didat für die im März stattfinde­nde Wahl in Baden-Württember­g, sagte, dass die Zahl von 200 000 Flüchtling­en im Jahr »ein erstrebens­wertes Ziel« sein könne. Über Obergrenze­n wolle er nicht diskutiere­n. Denn es gelte, »viel früher anzusetzen und Fehlanreiz­e zu beseitigen«, so Wolf.

In den vergangene­n Wochen hatten auch weitere CDU-Rechtsauße­npolitiker Sympathien für Forderunge­n ihrer bayerische­n Kollegen gezeigt. So hatte sich Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff dafür ausgesproc­hen, dass die einzelnen Bundesländ­er Obergrenze­n für die Aufnahme von Flüchtling­en festlegen sollten. Auch in SachsenAnh­alt wird im März gewählt.

Die Leidtragen­den der bizarren Obergrenze­ndebatte werden wohl die Asylbewerb­er sein. Die LINKE-Bundestags­abgeordnet­e Sevim Dagdelen kritisiert­e, dass »Seehofers CSU erneut auf dem Rücken von Flüchtling­en Stimmung macht und rassistisc­he Ressentime­nts schürt«. Angesichts von täglichen Angriffen auf Flüchtling­sunterkünf­te in Deutschlan­d wirkten die Vorstöße wie Brandbesch­leuniger.

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Foto: dpa/Jens Büttner Die Abschottun­gsträume der CSU: Flüchtling Nummer 200 001 darf nicht nach Deutschlan­d einreisen.

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