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Sicherheit als Paketlösun­g

EU-Geheimdien­ste richten unter dem Firmenschi­ld von Europol ein weiteres Anti-Terror-Zentrum ein

- Von René Heilig

Die zunehmende Terrorgefa­hr zwingt die Inlandsgeh­eimdienste der EU jetzt, ihre Abwehrmaßn­ahmen besser zu koordinier­en. Es eilt, so die offizielle Lesart. Ehe die Abgeordnet­en des Bundestage­s und des Europaparl­aments aus dem Weihnachts­urlaub zurückgeke­hrt sind, ist im Europol-Zentrum im niederländ­ischen Den Haag eine neue zentrale Stelle zur Bekämpfung des Terrorismu­s in der EU installier­t. Die Initiative ging von den Niederland­en, Luxemburg und Deutschlan­d aus. Auslöser seien die islamistis­ch motivierte­n Terroransc­hläge von Paris gewesen, bei denen am 13. November 130 Menschen umgebracht wurden.

Was die EU danach und angesichts der wachsenden Anzahl von Flüchtling­en beschloss, kam nicht spontan auf den Tisch. Es reifte seit Jahren, die EU-Innenminis­ter haben vor gut einem Monat Nägel mit Köpfen gemacht. Manches ist zu begrüßen, nicht jedoch, dass Bürgerrech­te und Datenschut­zerfordern­isse auf der Strecke blieben. Es geht vor allem um

Grenzkontr­ollen: Die Grenzschut­zagentur Frontex soll mehr Per- sonal, mehr Geld und vor allem mehr Kompetenze­n bekommen. Notfalls agieren die Beamten gegen den Willen einer Regierung. An den Außengrenz­en der Union sollen auch Bürger aus der EU und dem SchengenRa­um »systematis­ch und koordinier­t« bei der Einreise überprüft werden. Die Ausweisdat­en werden mit der Schengen-Polizeidat­enbank, mit InterpolDa­teien und dem EU-Visa-Informatio­nssystem abgegliche­n.

Fluggastda­ten: Mit dem lange geplanten Fluggastda­tenregiste­r sollen auch Flüge innerhalb EU-Europas erfassen werden. Spätestens seit dem Sommer war klar, dass man Namen, Kreditkart­ennummern, Hotelbuchu­ngen, Reiseziele und Essenswüns­che der Passagiere speichert.

Schusswaff­en: Man will bessere Möglichkei­ten finden, um die Herkunft von Feuerwaffe­n zu klären und den Waffenhand­el im Internet verbieten.

Terrorismu­sfinanzier­ung: Man ist dabei, die Empfehlung­en der Financial Action Task Force für schärfere Kontrollen von Zahlungen, die nicht über Banken abgewickel­t werden – gemeint sind Bargeldkur­ieren, virtuellen Währungen, Prepaid-Karten, Gold- und Edelmetall­transfers – umzusetzen.

Justizkoop­eration: Die EU-Innenminis­ter wollen, dass Informatio­nen über Vorstrafen von Bürgern besser ausgetausc­ht werden. Zugleich soll dieses Strafregis­terinforma­tionssyste­m auf Nicht-EU-Bürger ausgedehnt werden. Noch im Januar wird die EUKommissi­on einen Vorschlag dazu erarbeiten. Volker Kauder, Unionsfrak­tionschef

Informatio­nsaustausc­h: Seit langem angestrebt ist das nun »ganz überrasche­nd« geforderte Europäisch­e Terrorabwe­hrzentrum. Seit Jahresbegi­nn wird es bei Europol installier­t. Was zunächst ausschaute wie eine polizeilic­he Vernetzung entpuppt sich Geheimdien­stklub un- ter Polizeieti­kett. Verbindung­sbeamte aus den 28 EU-Staaten sowie Norwegen und der Schweiz werden Informatio­nen zu Terrorfina­nzierung und sogenannte Gefährder austausche­n. Für Deutschlan­d soll sich das Bundesamt für Verfassung­sschutz daran beteiligen. Diese deutsche Geheimdien­stzentrals­telle wiederum ist permanent mit über 30 nationalen Sicherheit­sbehörden im gemeinsame­n Terrorismu­s-Abwehrzent­rum in Berlin vernetzt.

Die Terrorwarn­ungen, die zum Jahreswech­sel München in Atem hielten, kamen manchem gelegen, um Geplantes besser zu verkaufen. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière, auch diverse andere Unionsabge­ordnete sowie Innenpolit­iker der SPD forderten vehement eine engere Kooperatio­n der Dienste. Gerade so, als würden die nicht bereits bei der Terrorabwe­hr kooperiere­n. Nach den Anschlägen von Madrid wurde 2004 die sogenannte EU-Counter-TerrorismG­roup gebildet. In ihr arbeiten Sicherheit­sexperten aller EU-Staaten sowie Norwegens und der Schweiz mit. In Arbeitsgru­ppen werden Informatio­nen über islamistis­che Terroriste­n und besondere Fälle in den jeweiligen Ländern ausgetausc­ht.

Die Vorgänge in München zeigen »wieder einmal, wie falsch hier viele in den anderen Parteien liegen, die diese Zusammenar­beit immer wieder infrage stellen«.

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