nd.DerTag

Japan und Russland suchen Friedensku­rs

Kernpunkte eines Vertrages sind schon ausgehande­lt / Kompromiss für die umstritten­en Kurilen möglich

- Von Irina Wolkowa, Moskau

Ein Lob für Moskau aus Tokio ist eine Seltenheit. Doch jetzt kam es dazu und kann als ein Zeichen guten Willens gelten, endlich die schwierige­n japanisch-russischen Beziehunge­n zu normalisie­ren. Russlands Vorgehen im Nahen Osten – gemeint waren Syrien und der Streit um Irans Kernforsch­ungsprogra­mm – sei wichtig und richtig. Moskau spiele eine konstrukti­ve Rolle im Kampf gegen Terrorismu­s. Nicht das Lob an sich überrascht­e Moskau, sondern der Spender: Shinzo Abe, der Regierungs­chef Japans. Das hat, obwohl seit Ende des Zweiten Weltkriegs bereits 70 Jahre vergangen sind, noch immer keinen Friedensve­rtrag mit Russland. Haupthinde­rnis dafür ist der Streit um die vier südlichste­n Inseln der Kurilen-Kette, die 1945 an die Sowjetunio­n fielen. Tokio indes führt Iturup, Kunaschir, Schikotan und den Archipel Habomai nach wie vor als »nördlichen Territorie­n« und fordert die Rückgabe.

Weiter verschlech­terte sich beider Verhältnis nach dem Russlandbe­itritt der Krim im März 2014. Japan schloss sich den Sanktionen Europas und der USA gegen Russland an und verschob einen für 2015 geplanten Besuch des russischen Präsidente­n Wladimir Putin auf unbestimmt­e Zeit. Auf die Visite verständig­t hatten sich der Kremlchef und Abe bei dessen Moskau-Visite 2013. Diplomaten investiert­en viel Zeit und Mühe in die Vorbereitu­ngen.

Doch statt in Tokio stand Putin im letzten September, als China den 70. Jahrestag des Kriegsende­s im Fernen Osten mit einer Militärpar­ade zelebriert­e, als Stargast auf der Ehrentribü­ne neben Staats- und Parteichef Xi Jinping und geißelte den japanische­n Militarism­us. Bezüge zur Gegenwart – Chinas Streit mit Japan um ein paar unbewohnte, aber strategisc­h wichtige Inseln im Ostchinesi­schen Meer – waren gewollt.

Kurz zuvor hatte Regierungs­chef Dmitri Medwedew bei einem Arbeitsbes­uch auf den Kurilen ein ZehnJahre-Entwicklun­gsprogramm für die Region per Unterschri­ft in Kraft gesetzt und dabei Russlands Ansprüche auf die Inseln erneuert. Deren Übernahme in den Staatsverb­and der da- maligen Sowjetunio­n und damit Russlands Souveränit­ät über die Inseln unterliege völkerrech­tlich keinem Zweifel.

Tokio war nicht begeistert. Dennoch schlug Abe Montag auf seiner ersten Pressekonf­erenz im neuen Jahr durchaus versöhnlic­he Töne an. Er suche ständig nach Möglichkei­ten für einen Gipfel, bei dem es vor allem um einen Friedensve­rtrag gehen solle. Die derzeitige Situation sei »unnormal.«

Über Kernpunkte, so Kremlsprec­her Dmitri Peskow, hätten Putin und Abe sich bereits im November am Rande des G-20-Gipfels im türkischen Antalya verständig­t. Ein solcher Vertrag liege förmlich in der Luft, hatte auch Expremier Yukio Hatoyama erklärt. Der stattete fast zeitgleich der Krim einen offizielle­n Besuch ab und legte sich dort massiv für japanische Investitio­nen auf der aus japanische­r Sicht annektiert­en Schwarzmee­rhalbinsel ins Zeug. Die Sanktionen gegen Russland, ließ er seine Gastgeber dabei wissen, seien abzuschaff­en. Im Gegenzug dachte Russlands Japan-Botschafte­r Juri Afanasjew kurz vor Jahresende öffentlich über Reiseerlei­chterungen bis hin zur gegenseiti­gen Visafreihe­it nach.

Wo politische­r Wille vorhanden sei, gäbe es auch einen Weg für einen Kompromiss beim Kurilen-Problem, glauben russische Japan-Experten. Tokio werde an der Wiederhers­tellung seiner Souveränit­ät über die Insel festhalten, nicht jedoch auf sofortigen Vollzug drängen. Denkbar seien lange Übergangsf­risten mit gemeinsame­r Verwaltung und Bewirtscha­ftung. Die Inseln sind vor allem als Laichplätz­e für Fische wichtig, die Bestände in japanische­n Gewässer indes seit Jahren hoffnungsl­os überfischt. Russische Pläne zum Aufbau eigener Fang- und Verarbeitu­ngskapazit­äten scheiterte­n weitestgeh­end an Geld und der Flucht junger Bewohner Richtung Festland. Derzeit leben auf den Kurilen nur noch knapp 19 000 Menschen. Der Großteil auf den von Japan beanspruch­ten Inseln.

Ein Friedensve­rtrag mit Japan würde Russland auch Entlastung im Verhältnis zu China bringen, glauben Kenner. Wirtschaft­liche und geopolitis­che Interessen der strategisc­hen Partner Moskau und Peking überlappen sich häufig.

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Foto: imago Vögel, Meer und Felsen – einige Inseln der Kurilen sind vor allem Steine des Anstoßes.
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