Deutsche Brennstäbe für belgische AKW?
Atomkraftgegner fordern Lieferstopp der Bauteile durch die Bundesregierung
Die belgischen AKW Tihange und Doel wurden wieder hochgefahren. Doel 1 schaltete sich am Samstag wegen eines technischen Problems selbst ab. Proteste gegen die »Schrottreaktoren« kommen besonders von deutschen Politikern. Nun sagen Sie: Die Brennelemente stammen aus der Fertigungsanlage im deutschen Lingen. Das ist das Ergebnis von Recherchen, die Anti-AKW-Kollegen insbesondere aus dem Münsterland gemacht haben. Es gibt Dokumentationen von Transporten von Lingen nach Belgien. Hier werden Brennstoffe von uns geliefert – die Grundlage für den Weiterbetrieb der höchst unsicheren AKW ist »made in Germany«. Schlimmstenfalls strahlen sie auf uns zurück, Radioaktivität kennt keine Grenzen. In einem offenen Brief fordern Sie den Stopp der Brennelementelieferungen. Warum ist das Schreiben an die grünen Umweltminister von Niedersachsen und NordrheinWestfalen sowie die SPD-Bundesumweltministerin adressiert? Lingen liegt in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland, das am stärksten betroffen wäre von einem Störfall im grenznahen Atomkraftwerk Tihange. Aachen liegt nur 65, Köln 130 Kilometer entfernt. Die Bundesebene haben wir einbezogen, weil das Recht auf körperliche Unversehrtheit in diesem Fall eine Aufgabe nationaler Relevanz ist. Es geht darum, Leben zu schützen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hätte Eingriffsmöglichkeiten. Das streitet nicht nur Hendricks ab: Das Wiederhochfahren der AKW gilt als nationale Angelegenheit. In unserem Brief zeigen wir ja eine Handhabe auf, nämlich den Stopp des Brennelementeexports. Es gibt weitere. Wenn wir sehen, wie die Bundesregierung gegen die Interessen der Griechen deutsche Bankeninteressen vertreten hat, sollte man mit etwas Fantasie auch die Sicherheit der Bürger vor AKW gewährleisten können. Was heißt dies konkret? Die Bundesregierung könnte Druck ausüben, den belgischen Botschafter einbestellen, die geplante deutschbelgische Stromtrasse Alegro auf Eis legen. Man könnte die Zahlungen im Sinne des Euroatom-Vertrages verweigern: Der Betrieb und die Sicherheit von AKW sind eine nationale Frage, aber die Finanzierung und Subventionierung der Atomkraft ist eine europäische Aufgabe – absurd! Jedes Land ist gezwungen, Atomkraft zu unterstützen, darf aber die Sicherheit seiner Bürger nicht garantieren. Was würde sich ändern, wenn keine Brennelemente aus Lingen mehr nach Belgien geliefert würden? Es entstünde zunächst ein Engpass und Belgien müsste sich anderweitig umschauen. Natürlich würden andere Hersteller einspringen. Aber das wäre etwa bei einem Exportverbot von Waffen auch so, trotzdem ist es sinnvoll. Müssten für den Lieferstopp nicht Verträge gebrochen und Exporterlaubnisse zurückgezogen werden? Darauf kann man sich nicht zurückziehen. Wie oft werden Verträge gebrochen? Es gilt, Leben und Gesundheit von Millionen Menschen zu schützen. Das Sicherheitsniveau von Doel und Tihange ist einmalig. Das ist kein Kompliment, oder? Nein. Die bestehenden Sicherheitsstandards hätten schon 2013 zur Schließung der AKW führen müssen. Seit 2013 ist die Zahl der Risse im Reaktorbehälter um 60 Prozent gestiegen, sie sind acht mal größer als bisher angenommen. Jetzt gelten die Reaktoren als sicher – Belgien täuscht ganz bewusst die Öffentlichkeit. Sind die tausenden Risse ein belgisches Phänomen? Der Ex-Chef der atomfreundlichen belgischen Atomaufsicht fordert ja eine Überprüfung aller AKW weltweit. Nach der aktuellen Sachlage gibt es keine klaren Indizien, dass das Problem alle AKW betrifft. Natürlich sollten sie ernsthaft überprüft werden.