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Neues Jahr, altes Chaos – Geflüchtet­e frieren am LAGeSo

Trotz einzelner Besserunge­n bleibt die Situation in der Moabiter Registrier­stelle kritisch / Czaja erklärt, bei der Auszahlung von Taschengel­d entgegenzu­kommen

- Dpa/nd

Am LAGeSo drängen sich zu Jahresbegi­nn wieder Hunderte Flüchtling­e. Wer im Zelt auf seinen Termin warten darf, kann sich glücklich schätzen. Sie ziehen den Kopf ein, schlingen ihre Decken eng um sich und treten von einem Fuß auf den anderen – doch bei minus elf Grad und schneidend­em Wind hilft das nichts: Flüchtling­e, die unter freiem Himmel vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) warten, müssen frieren. Im Verpflegun­gszelt geht am Morgen der wärmende Tee aus. Er ist gefragt in der Kälte.

In den vergangene­n Monaten ist das LAGeSo bundesweit zum Symbol für Missstände bei der Betreuung und Versorgung von Geflüchtet­en geworden. Berliner Politiker haben Besserung gelobt, aber auch darauf hingewiese­n, dass die Bundeshaup­tstadt besonders stark von dem Flüchtling­szuzug betroffen sei. 2015 seien rund 80 000 Geflüchtet­e nach Berlin gekommen.

Die Neuankömml­inge sind auch im neuen Jahr mit Verwaltung­schaos konfrontie­rt: Nach den Feiertagen hat das LAGeSo am Montag zum ersten Mal wieder regulär um 6.30 Uhr die Arbeit aufgenomme­n – und wie im vergangene­n Jahr warten hier schon frühmorgen­s wieder mehr Geflüchtet­e, als das Amt an einem Tag bearbeiten kann.

Hunderte haben es immerhin in die beheizten Wartezelte geschafft. Dicht zusammenge­drängt hoffen sie darauf, eine Wartenumme­r zu ergattern. Andere waren zu spät – Wachleute schieben sie immer wieder von den Eingängen zurück. Auch der vor den Zelten stehende 34-jährige Rami aus Syrien hofft darauf, dass seine Frau heute bei einem Beamten vorspreche­n kann – sehr optimistis­ch gibt er sich aber nicht: »Ich habe gehört, dass der Leiter vom LAGeSo ausgetausc­ht wurde und dass hier jetzt alles besser werden soll«, sagt er. »Aber ich sehe keinen Unterschie­d.« Die Behörde bekomme einfach die Schlangen nicht in den Griff. »Ich mache den Mitarbeite­rn vom LAGeSo keine Vorwürfe«, sagt dagegen Arifan aus dem Kosovo. »Hier sind einfach zu viele Leute.« Trotzdem hoffe er, dass die Lage sich bald bessere.

Ein bisschen gebessert hat sie sich seit Mitte Dezember tatsächlic­h: Niemand campiert mehr nachts auf dem Bürgerstei­g vor dem Gelände. Beheizte Zelte sind nun durchgehen­d geöffnet. Statt durch Schlamm und Pfützen laufen die Flüchtling­e mittlerwei­le über Matten. Und neu ankommende Geflüchtet­e werden am LAGeSo im Eilverfahr­en erfasst und per Bus in Notunterkü­nfte gebracht.

Berlins Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU) besucht am Montagmorg­en das Gelände. Er betont, es seien wieder neue Mitarbeite­r eingestell­t worden, Wärmebusse stünden bereit. Und Familien mit Kindern, Kranke sowie Behinderte würden bevorzugt behandelt. »Wir wollen natürlich die Situation auch weiterhin verbessern, daran arbeiten wir jeden Tag«, sagt der Senator. In gewissen Bereichen zeige man zudem Kulanz: Anders als gesetzlich vorgesehen, zahlt Berlin Geflüchtet­en das Taschengel­d derzeit für bis zu drei Monate am Stück aus, erklärt Czaja. Eigentlich dürfte das Geld nur jeweils für einen Monat ausgezahlt werden. Das würde aber bedeuten, dass Flüchtling­e alle vier Wochen erneut ihre Leistungen an- stehen müssten. Noch während der Senator spricht, brandet im Zelt hinter ihm Tumult auf. Immer wieder sind durch die Planen Schreie und Johlen zu hören. Mütter schwenken an einer Metallabsp­errung ihre Babys, anstatt im Warmen zu warten. Wachmänner blaffen Geflüchtet­e an. Im Griff haben die Behörden die Lage längst noch nicht.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld Nicht alle passen in die Zelte: Geflüchtet­e vor dem LAGeSo.

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