Zerrüttetes Verhältnis
In Halle geraten OB und Stadtrat oft aneinander
Als der Stadtrat von Halle im Dezember über den Etat beriet, lagen bei vielen der ehrenamtlichen Politiker die Nerven blank. »Irre«, wetterte eine Stadträtin auf Twitter: »Nach fünf Stunden Haushalt beschlossen, und der OB kündigt Widerspruch an.« Es folgt ein nicht zitierfähiger Fluch, der freilich eine Vorgeschichte hat. Drei Jahre ist der jetzt parteilose Ex-SPDMann Bernd Wiegand Chef im Rathaus Halle; seither hat er dem Rat in 22 Fällen widersprochen. Das sei »nicht der Normalfall«, formuliert man im Landesverwaltungsamt. Bodo Meerheim, Fraktionschef der LINKEN, stellt ernüchtert fest, das Verhältnis von Rat und OB sei »zerrüttet«.
Wirklich innig war es nie. Dass der Ex-Ordnungsdezernent im Juli 2012 die OB-Wahl gewann, war ein Coup, der vor allem CDU, SPD und FDP vergrätzte. Es gab Hakeleien – und bald auch eine Anklage wegen angeblicher Untreue. Der OB sollte drei enge Mitarbeiter zu überhöhten Gehältern eingestellt haben. Im Prozess vor dem Verwaltungsgericht sprach er von einer »politischen Intrige« gegen sich. Im Februar 2015 wurde Wiegand freigesprochen. Über einen Revisionsantrag der Anklage wird am 4. Februar am Bundesgerichtshof Karlsruhe verhandelt.
Vor allem auf Betreiben der drei Parteien strebt der Rat zudem ein Disziplinarverfahren gegen Wiegand an, dessen Dienstvorgesetzter das Kommunalparlament ist. Es geht unter anderem um eigenmächtige Entscheidungen des OB zum Bau des Gimmritzer Damms, der Halle-Neustadt vor Hochwasser schützen soll, und um Personalplanungen. Vor Einleitung des Verfahrens möchte der Rat aber dessen Chancen juristisch prüfen lassen – wofür er Geld braucht. Die nötigen 20 000 Euro verweigerte Wiegand. Das brachte auch ihm wohlgesonnene Räte auf die Palme. Im Dezember beschloss der Rat daher einstimmig, Wiegand auf Freigabe der Summe zu verklagen – was ein bundesweit einmaliger Fall gewesen wäre. Erst in letzter Minute lenkte der OB ein.
Dessen Agieren ernüchtert Räte auch in Parteien, die Wiegands Politik eigentlich unterstützen. Zu diesen zählt auch die LINKE. Die Kritiker Wiegands stören sich an einsamen Vorstößen des Mannes, der sich als Macher jenseits ausgetretener politischer Pfade zeigt. Beim Gimmritzer Damm etwa wies er im Juli 2013 den Neubau an, ohne sich mit anderen Behörden abzustimmen und nötige Planungen abzuwarten. Das Landesverwaltungsamt verhängte später einen Baustopp. Die Lokalpresse beschrieb Wiegand als »Ich-AG«. Dem »nd« sagte ein Ratsmitglied, zu den hervorstechendsten Qualitäten des OB gehöre dessen »Fähigkeit zur PR in eigener Sache«.
Zudem stößt man sich im Rat an einer abschätzigen Attitüde des Verwaltungschefs gegenüber den Abgeordneten. Wiegand behandle Stadträte eher als Untergebene denn als Partner, zitiert die »Mitteldeutsche Zeitung« Tom Wolter, den Chef der Fraktion »Mitbürger für Halle / Neues Forum«. Die Konfrontation bestehe »vor allem im Atmosphärischen, nicht im Politischen«, sagt LINKE-Fraktionschef Meerheim. Als der Stadtrat über das Disziplinarverfahren gegen Wiegand beriet, verließen dieser und die Dezernenten demonstrativ den Saal. »Wie Hund und Katze«, kommentierte die Lokalzeitung und merkte an, die Kommunalverfassung sehe eigentlich zwischen OB und Räten ein »kooperatives Verhältnis« vor.
Darauf hofft auch Hendrik Lange (LINKE), als Vorsitzender des Stadtrates dessen Moderator. »Wir wünschen uns vom OB mehr Kooperation und weniger Alleingänge«, sagte er dem »nd«. Sonst drohen noch viele erboste Tweets aus Ratssitzungen. Ein neuer OB wird in Halle erst 2019 gewählt.