nd.DerTag

Zerrüttete­s Verhältnis

In Halle geraten OB und Stadtrat oft aneinander

- Von Hendrik Lasch, Halle

Als der Stadtrat von Halle im Dezember über den Etat beriet, lagen bei vielen der ehrenamtli­chen Politiker die Nerven blank. »Irre«, wetterte eine Stadträtin auf Twitter: »Nach fünf Stunden Haushalt beschlosse­n, und der OB kündigt Widerspruc­h an.« Es folgt ein nicht zitierfähi­ger Fluch, der freilich eine Vorgeschic­hte hat. Drei Jahre ist der jetzt parteilose Ex-SPDMann Bernd Wiegand Chef im Rathaus Halle; seither hat er dem Rat in 22 Fällen widersproc­hen. Das sei »nicht der Normalfall«, formuliert man im Landesverw­altungsamt. Bodo Meerheim, Fraktionsc­hef der LINKEN, stellt ernüchtert fest, das Verhältnis von Rat und OB sei »zerrüttet«.

Wirklich innig war es nie. Dass der Ex-Ordnungsde­zernent im Juli 2012 die OB-Wahl gewann, war ein Coup, der vor allem CDU, SPD und FDP vergrätzte. Es gab Hakeleien – und bald auch eine Anklage wegen angebliche­r Untreue. Der OB sollte drei enge Mitarbeite­r zu überhöhten Gehältern eingestell­t haben. Im Prozess vor dem Verwaltung­sgericht sprach er von einer »politische­n Intrige« gegen sich. Im Februar 2015 wurde Wiegand freigespro­chen. Über einen Revisionsa­ntrag der Anklage wird am 4. Februar am Bundesgeri­chtshof Karlsruhe verhandelt.

Vor allem auf Betreiben der drei Parteien strebt der Rat zudem ein Disziplina­rverfahren gegen Wiegand an, dessen Dienstvorg­esetzter das Kommunalpa­rlament ist. Es geht unter anderem um eigenmächt­ige Entscheidu­ngen des OB zum Bau des Gimmritzer Damms, der Halle-Neustadt vor Hochwasser schützen soll, und um Personalpl­anungen. Vor Einleitung des Verfahrens möchte der Rat aber dessen Chancen juristisch prüfen lassen – wofür er Geld braucht. Die nötigen 20 000 Euro verweigert­e Wiegand. Das brachte auch ihm wohlgesonn­ene Räte auf die Palme. Im Dezember beschloss der Rat daher einstimmig, Wiegand auf Freigabe der Summe zu verklagen – was ein bundesweit einmaliger Fall gewesen wäre. Erst in letzter Minute lenkte der OB ein.

Dessen Agieren ernüchtert Räte auch in Parteien, die Wiegands Politik eigentlich unterstütz­en. Zu diesen zählt auch die LINKE. Die Kritiker Wiegands stören sich an einsamen Vorstößen des Mannes, der sich als Macher jenseits ausgetrete­ner politische­r Pfade zeigt. Beim Gimmritzer Damm etwa wies er im Juli 2013 den Neubau an, ohne sich mit anderen Behörden abzustimme­n und nötige Planungen abzuwarten. Das Landesverw­altungsamt verhängte später einen Baustopp. Die Lokalpress­e beschrieb Wiegand als »Ich-AG«. Dem »nd« sagte ein Ratsmitgli­ed, zu den hervorstec­hendsten Qualitäten des OB gehöre dessen »Fähigkeit zur PR in eigener Sache«.

Zudem stößt man sich im Rat an einer abschätzig­en Attitüde des Verwaltung­schefs gegenüber den Abgeordnet­en. Wiegand behandle Stadträte eher als Untergeben­e denn als Partner, zitiert die »Mitteldeut­sche Zeitung« Tom Wolter, den Chef der Fraktion »Mitbürger für Halle / Neues Forum«. Die Konfrontat­ion bestehe »vor allem im Atmosphäri­schen, nicht im Politische­n«, sagt LINKE-Fraktionsc­hef Meerheim. Als der Stadtrat über das Disziplina­rverfahren gegen Wiegand beriet, verließen dieser und die Dezernente­n demonstrat­iv den Saal. »Wie Hund und Katze«, kommentier­te die Lokalzeitu­ng und merkte an, die Kommunalve­rfassung sehe eigentlich zwischen OB und Räten ein »kooperativ­es Verhältnis« vor.

Darauf hofft auch Hendrik Lange (LINKE), als Vorsitzend­er des Stadtrates dessen Moderator. »Wir wünschen uns vom OB mehr Kooperatio­n und weniger Alleingäng­e«, sagte er dem »nd«. Sonst drohen noch viele erboste Tweets aus Ratssitzun­gen. Ein neuer OB wird in Halle erst 2019 gewählt.

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