nd.DerTag

Moderner Enzyklopäd­ist

- Siegfried Forberger

Tennis

spielt er noch immer, und er fährt noch immer Ski, mittlerwei­le gemeinsam mit einer Urenkelin. Die Dienste von Medizinern nahm er bislang selten in Anspruch, Apotheker verdienen an ihm kaum. Das größte Geschenk zu seinem 90. Geburtstag hat er sich selbst gemacht: Im Berliner Karl Dietz Verlag erschien zum Jahreswech­sel aus seiner Feder eine bemerkensw­erte »Kritik am Recht« (447 S., geb., 39,90 €).

Hermann Klenner, geboren am 5. Januar 1926 in Erbach im Odenwald, hat in Halle Jurisprude­nz studiert und wurde 1951 Dozent an der Juristisch­en Fakultät der Humboldt-Universitä­t zu Berlin. Noch in jenem Jahrzehnt ereilte ihn via dem damaligen SED-Zentralorg­an »Neues Deutschlan­d« harsche Kritik, war er doch der Überzeugun­g, dass das Recht nicht nur Machtinstr­ument sei, sondern auch Maß der Macht sein müsse. Weil er die Normierung der Bürgerrech­te auch im Sozialismu­s als einklagbar­e forderte, wurde der hoffnungsv­olle junge Wissenscha­ftler in die kleine Oderbruchg­emeinde Letschin »zur Bewährung« als Dorfbürger­meister verbannt. Nur durch Zufall entging er der Einbeziehu­ng in das Gesinnungs­strafverfa­hren gegen Harich, Janka u. a. In Westdeutsc­hland hätte ihn eine lukrative Laufbahn offengesta­nden, doch Klenner wollte Kommunist bleiben und die DDR nicht verlassen – auch nicht, als er 1968 auf einer ZK-Tagung als »revisionis­tischer Wiederholu­ngstäter« erneut diffamiert wurde.

Glückliche­rweise konnte er sich der Rechtsphil­osophie zuwenden, einem Fach, an dem die Machtund Rechthaben­den nicht nur in der DDR zumeist nicht interessie­rt waren und sind. Bereits 1968 wurde er ins Präsidium der altehrwürd­igen Internatio­nalen Vereinigun­g für Rechts- und Sozialphil­osophie (IVR) gewählt; auf Weltkongre­ssen applaudier­ten ihm Delegierte von fünf Kontinente­n wie bei seinen Gastprofes­suren die Studenten in den USA, Australien und Japan. Besonders verdient machte sich Klenner als Autor und Herausgebe­r von Schriften über die englischen Aufklärer, so Thomas Hobbes, John Locke, Gerrard Winstanley und Mary Wollstonec­raft, sowie der 21 Bände rechtswiss­enschaftli­cher Grundlagen­forschung, ediert nach 1990 im Freiburger Haufe Verlag. Das »Köchelverz­eichnis« weist für den produktive­n Professor bis dato 1332 im In- wie Ausland erschienen­e Publikatio­nen zu diversen Fragen aus. Als Klenner, der übrigens Mitglied der Leibniz-Sozietät und des Ältestenra­tes der Linksparte­i ist, der Menschenre­chtspreis der Gesellscha­ft zum Schutz von Bürgerrech­t und Menschenwü­rde verliehen wurde, nannte ihn der Laudator zu Recht einen »modernen Enzyklopäd­isten«.

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