nd.DerTag

Machtergre­ifung

Neues Mediengese­tz in Polen

- Von Jürgen Amendt

Ein Staat müsse nicht unbedingt ein Verfassung­sgericht haben, um demokratis­ch zu sein, schreibt der Verfassung­srechtler Dieter Grimm in einem Gastbeitra­g für die FAZ (Montagausg­abe) zur Entmachtun­g des Verfassung­sgerichts in Polen durch die neue rechtsgeri­chtete Regierung in Warschau. Doch der ehemalige Richter am Bundesverf­assungsger­icht schränkt ein, dass gerade in einem Staat wie Polen, der eine noch junge demokratis­che Geschichte habe, die Demokratie auf schwachen Füßen stehe, wenn der Verfassung eine gerichtlic­he Durchsetzu­ngsinstanz fehle.

Grimms Befund lässt sich ohne Weiteres auf die öffentlich-rechtliche­n Medien übertragen. Mehr noch: Ein Staat mag demokratis­ch auch ohne Verfassung sein, ohne öffentlich­rechtliche Medien, die sich zumindest teilweise dem Quoten- und Marktdruck entziehen können, ist eine Gesellscha­ft es nicht. Wie wichtig dabei das Prinzip der Staatsfern­e ist, hat das Bundesverf­assungsger­icht vor gut zwei Jahren in seinem Urteil zur Zusammense­tzung der ZDF-Gremien betont. Die Politik, vor allem aber Staatsvert­reter dürften keinen zu großen Einfluss auf die Sender haben, betonten die Richter.

Sicherlich, man kann einwenden, dass selbst dann, wenn das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts umgesetzt wird und künftig nur noch ein Drittel statt wie bisher 44 Prozent »staatsnahe« Personen im Fernsehrat und Verwaltung­srat des ZDF sitzen, angesichts der vielen Ex-Politiker, die über das Ticket von diversen Verbänden und Organisati­onen dennoch in die Gremien gelangen, von einem geminderte­n Parteienei­nfluss keine Rede sein kann. Bei Entscheidu­ngen zur Besetzung der Führungspo­sitionen bei ARD und ZDF spielt die Parteipoli­tik deshalb nach wie vor eine zu große Rolle. Die plurale Zusammense­tzung der Rundfunk- und Fernsehrät­e, vor allem aber das in allen demokratis­chen Parteien tief verankerte Bewusstsei­n dass Mehrheiten immer auch die Interessen der Minderheit­en berücksich­tigen müssen, schützen allerdings vor Entwicklun­gen, wie sie jetzt in Polen drohen. Durch das von den beiden Kammern des Parlaments in Warschau beschlosse­ne Mediengese­tz kann die mit absoluter Mehrheit regierende Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) direkt über die Besetzung von Leitungspo­sitionen bei den öffentlich­en Sendern entscheide­n. Eine solche Machtergre­ifung fiele hierzuland­e nicht einmal einem Horst Seehofer und der CSU ein. Die Konsensdem­okratie westlicher Prägung hat auch ihre Vorteile.

Nach den Plänen der PiS sollen die Intendante­n des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks künftig von einem durch den Staatspräs­identen und den beiden Parlaments­kammern bestimmten »Rat der Nationalen Medien« ernannt werden. Alle drei Institutio­nen sind derzeit unter der Kontrolle der PiS. Zudem sollen alle öffentlich-rechtliche­n Medien direkt der Aufsicht des Kulturmini­sters unterstehe­n. Ministerpr­äsidentin Beata Szydlo begründet das u.a. damit, dass die Bürger das Recht auf »objektive und plurale Informatio­nen« hätten.

Auch der zweite Teil der PiS-Medienrefo­rm, die Beschränku­ng der Marktmacht ausländisc­her Medienkonz­erne, bedeutet nur vordergrün­dig ein Mehr an Meinungspl­uralismus. Mit Antimonopo­l-Bestimmung­en sollen insbesonde­re die Anteile deutscher Verlage verringert werden. Bislang beherrsche­n die Medienhäus­er Bauer Media Polska, Burda Internatio­nal und Axel Springer Polska den privaten Medienmark­t in Polen. Durch den Rückkauf von Anteilen und die Neugründun­g von konservati­ven Medien will die PiS eine »Repolonisi­erung« erreichen. Faktisch heißt das also nicht mehr, sondern weniger Demokratie und Pluralismu­s.

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