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Nach Rio geht’s durchs Nadelöhr Berlin

Das Olympiaqua­lifikation­sturnier der Volleyball­er ist so gut besetzt, dass die weltbesten Teams das Aus fürchten

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Weltmeiste­r, Olympiasie­ger, Europameis­ter – alle wollen zu Olympia nach Rio, aber nur einer darf. Den Bundestrai­ner ärgert das. Vital Heynen ist ein ganz besonderer Trainer. Dafür lieferte er am Montag in Berlin mal wieder den Beweis. Der europäisch­e Volleyball­verband hatte alle acht Trainer der Nationalma­nnschaften in die Max-Schmeling-Halle geladen, die ab diesem Dienstag um einen einzigen Olympiapla­tz kämpfen, und Heynens sieben Kollegen erzählten allesamt irgendwie dasselbe: kurze Vorbereitu­ng, schweres Turnier, von Spiel zu Spiel schauen. Das Übliche eben.

Bundestrai­ner Heynen hingegen begann von Professor Burton Malkiel zu erzählen. Der hatte 1973 die These aufgestell­t, dass Affen mindestens genauso gut mit Aktien handeln würden wie sogenannte Finanzmark­texperten, wenn sie die Papiere per Pfeilwurf auf eine Zeitungsli­ste aussuchten. Mehrere Untersuchu­ngen haben mittlerwei­se nachgewies­en, dass dies stimmt, obwohl nur selten wirklich Affen mit den Pfeilen warfen. Manchmal lagen die Zufallskäu­fe in 40 Prozent der Fälle besser, manchmal zu 80 Prozent.

Heynen wollte damit nur sagen, dass dieses Qualifikat­ionsturnie­r so gut und ausgeglich­en besetzt ist, dass kein Trainer ein Team nennen könnte, dass sicher den Olympiapla­tz oder einen der beiden verbleiben­den Plätze fürs allerletzt­e Qualifikat­ionsturnie­r ergattern wird. Immerhin sind Olympiasie­ger Russland, Weltmeiste­r Polen, Europameis­ter Frankreich, WM-Dritter Deutschlan­d, Weltligazw­eiter Serbien und der Olympiavie­rte Bulgarien am Start. »Es wird schwerer hier unter die ersten Drei zu kommen, als bei Olympia eine Medaille zu gewinnen«, sagte Heynen.

Um dies zu beweisen, startete der Bundestrai­ner sogleich ein Experiment und ließ einen verdutzten Journalist­en, der nun den Affen mimen sollte, drei Lose ziehen. Mit Finnland, Belgien und Serbien zog der zwar das denkbar unwahrsche­inlichste Trio für die vorderen Plätze, doch »Belgien hat gerade Europameis­ter Frankreich geschlagen, und Finnland kann wie Slowenien bei der EM zur Überraschu­ng werden«, lieferte Heynen gleich die Begründung dafür, warum selbst dieses Ergebnis möglich sei. Nun sei es eben an den Experten, womit Heynen sich und seine sieben Kollegen auf dem Podium meinte, den Affen zu besiegen.

Trotzdem wird im deutschen Team natürlich nichts dem Zufall überlassen. Wie schon 2012 wurde das europäisch­e Qualifikat­ionsturnie­r nach Berlin geholt, um mit den eigenen Fans im Rücken das Ticket zu lösen. Damals klappte es, wenn auch die Gegner weitaus einfacher zu besiegen waren. Heynen holte nun zudem einige Akteure zurück in die Mannschaft, die über die nötige Erfahrung verfügen sollten, auch in schwierige­n Situatione­n nicht den Kopf zu verlieren. »Das sollte unsere Qualität sein. Unsere Spieler wissen alle, was abgeht«, so der Belgier.

Ausgerechn­et gegen dessen Heimatnati­on bestreiten die Deutschen am Dienstag den Auftakt, jene Belgier also, die in ihrer Vorbereitu­ng die zuletzt überragend­en Franzosen besiegten. »Naja, wir wissen doch alle, dass aus einem Freundscha­ftsspiel keine klaren Schlüsse gezogen werden können«, versuchte Belgiens Trainer Dominique Baeyens die Erwartunge­n an den Außenseite­r der Gruppe gleich wieder runterzusc­hrauben. Die folgenden Partien gegen Serbien und Polen sollten dann entscheide­n, ob die deutsche Mannschaft das Halbfinale erreicht.

Das hätte 2012 wohl noch gereicht, schließlic­h durften in London sieben Teams aus Europa mitspielen, 2016 werden es maximal vier. »Sich hier durchzuset­zen, ist eigentlich unmöglich«, kritisiert­e Heynen die Entscheidu­ng des Weltverban­ds, anderen Kontinente­n mehr Olympiaplä­tze zuzusprech­en. »Ich weiß nicht, ob es falsch ist, doch es werden nicht die besten Nationen bei Olympia sein. Aus sportliche­r Sicht ist das schwer zu verstehen; vor allem für Athleten, die jeden Tag so viel in ihren Traum investiere­n und dann mit ansehen müssen, wenn andere Mannschaft­en in Rio spielen, die sie in 100 Partien 99 mal schlagen würden.«

Nun muss Vital Heynen mit seiner Mannschaft also durch das Berliner Nadelöhr. Was den Bundestrai­ner so ärgert, ist für die Volleyball­fans ein Fest. Sechs Tage lang werden sie das »beste Volleyball­turnier der Welt« zu sehen bekommen, wie es Frankreich­s Trainer Laurent Tillie prophezeit­e. Auch bei ihm konnte man dabei ein bisschen Angst heraushöre­n. Nur Russlands Trainer Wladimir Alekno schien dagegen immun. »Das ist meine Glückshall­e«, sagte er nur. Kein Wunder: Mit Zenit Kasan gewann er hier im März die Champions League.

 ?? Foto: imago/ZUMA Press ?? Earvin Ngapet (3.v.l.) gewann mit Frankreich die EM, muss sich aber noch für Olympia qualifizie­ren. Die Italiener buchten ihr Rio-Ticket über den Weltcup.
Foto: imago/ZUMA Press Earvin Ngapet (3.v.l.) gewann mit Frankreich die EM, muss sich aber noch für Olympia qualifizie­ren. Die Italiener buchten ihr Rio-Ticket über den Weltcup.

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