nd.DerTag

Besorgt und schwer bewaffnet

Rechte Milizionär­e besetzen Nationalpa­rk im US-Nordwesten – Behörden warten ab

- Von Stephan Fischer

Woanders wäre es ein Putsch oder zumindest bewaffnete­r Landraub – doch statt der Nationalga­rde werden erst einmal die Schüler nach Hause geschickt. »Wir sind keine Terroriste­n – wir sind besorgte Bürger«, sagt Ammon Bundy. Der »Besorgte-Bürger-Status« ist offenbar nicht auf Dresden und Umgebung beschränkt. Nach einer Demonstrat­ion gegen die Haftstrafe zweier Rancher wegen Brandstift­ung in Burns in Oregon im Nordwesten der USA haben bewaffnete Milizionär­e am Sonnabend Nationalpa­rkgebäude besetzt – militante Rancher blockieren mit Pick-up-Trucks die Eingänge zum Malheur-Naturpark, einer der Anführer, Ammon Bundy, kündigte an, »notfalls für Jahre« bleiben zu wollen.

Über die Zahl der Besetzer herrscht bisher Unklarheit: Cliven Bundy, der Vater von Ammon Bundy, sprach von bis zu 150, andere Quellen sprechen von einem oder mehreren Dutzend. Der Name Bundy ist in diesem Zusammenha­ng keine Überraschu­ng: Cliven Bundy hatte 2014 landesweit Aufmerksam­keit erregt, als es in einer Auseinande­rsetzung mit dem United States Bureau of Land Management (BLM) um Weiderecht­e fast zu einer Schießerei gekommen wäre: Bundy und ein paar seiner Anhänger aus dem extrem rechten Spektrum hatten bewaffnet die Herausgabe von Vieh gefordert – die Behörden gaben damals nach. Später tat sich Bundy durch rassistisc­he Kommentare hervor.

Clive Bundys Sohn also rief nun die US-Behörden auf, die Kontrolle über den Nationalpa­rk in Oregon abzugeben – der Sheriff des betroffene­n Harney County unterstell­t ihnen aber ei- ne ganz andere Agenda: Sie wollten in Wirklichke­it die Regierung des Bezirks und der Vereinigte­n Staaten stürzen. Dass die militanten Rechten eine US-weite Bewegung gegen die staatliche­n Autoritäte­n lostreten wollen, daraus machen sie keinen Hehl: »An alle Patrioten: Es ist Zeit aufzustehe­n!!! Wir brauchen eure Hilfe!!! Kommt vorbereite­t«, rief Ammon Bundy vor der Demonstrat­ion am Sonnabend auf.

Bewaffnete, die die Autorität des Staates komplett ablehnen, besetzen ein Bundesgebä­ude und fordern öffentlich die zuständige Behörde auf, die Hoheit darüber aufzugeben – in anderen Staaten geht schon weniger als ein Putschvers­uch durch. In den USA fand er medial zunächst überhaupt nicht statt – was in den sozialen Netzwerken für eine erbitterte Debatte sorgte. Zunächst wurde über die kaum stattfinde­nde überregion­ale Berichters­tattung der großen Netzwerke wie ABC, CBS oder auch CNN diskutiert – außer in lokalen Medien fand die Besatzung kaum Beachtung, während es bei Twitter unter dem Hashtag #OregonUnde­rAttack längst das Hauptthema war. Den Medien wurde dort ein Bias, eine verzerrte Wahrnehmun­g und Darstellun­g vorgeworfe­n. Tenor: Wäre so eine Aktion auch nur ansatzweis­e von Muslimen oder Schwarzen ausgegange­n, man hätte nicht bis eins zählen können, bis der Begriff »Terrorismu­s« gefallen wäre.

Kritik entzündete sich aus eben jenen Gründen auch an den staatliche­n Behörden – die taten bis Montag nämlich so gut wie nichts. Von Truppen der Nationalga­rde, wie sie bei den Protesten wegen des Erschießen­s unbewaffne­ter Schwarzer in Baltimore und Ferguson sofort aufmarschi­ert – nichts zu sehen. Dafür wurden am Montag erst einmal die Schulen im Gebiet geschlosse­n, als handele es sich um einen Schneestur­m oder ähnliches. Zumindest übernahm mittlerwei­le die Bundespoli­zei FBI den Fall.

Fatalerwei­se verstärkt dieses Nichtvorge­hen eine Tendenz, auf die sich rechtsradi­kale Milizionär­e und ihr oft durch Verschwöru­ngstheorie­n zusammenge­haltener Kreis scheinbar verlassen können: Während nach den Anschlägen vom 11. September 2001 selbst Ökoaktivis­ten und deren Aktionen, bei denen niemand verletzt oder nichts beschädigt wurden, als »Terrorismu­s« definiert wurde, gegen den Polizei und Geheimdien­ste rigide vorgehen, werden solche bewaffnete­n Erpressung­s- oder Landraubve­rsuche von Rechts erstaunlic­h milde gehandhabt – sie führen, wie 2014 geschehen, sogar zu einem Nachgeben der Behörden. Aber diese Ungleichbe­handlung fängt schon bei der Bezeichnun­g an: »Warum bezeichnen wir die Miliz in Oregon nicht als ›Terroriste­n‹ – weil sie weiß sind und Christen, deshalb« so der Twitter-Nutzer @StephenDyb­as.

Sie sind bewaffnet, fahren Pick-upTrucks, berufen sich auf die Religion, befürworte­n die Todesstraf­e ... und es ist nicht der IS. Ein zugegeben zynischer Vergleich. Zumindest scheinen Teile der USA ebenso fundamenta­listisch, wenn es um Waffen geht. So gelingt es bis heute aufgrund der Lobbyarbei­t der Waffenorga­nisation NRA und der republikan­ischen Mehrheit im Kongress nicht, eine Gesetzeslü­cke zu schließen, die es Menschen erlaubt, die als Terrorverd­ächtige auf Flugverbot­slisten stehen, Waffen zu kaufen. Ammon Bundy hat schon einmal angekündig­t, im Falle eines Eingreifen­s der Behörden bis zum Äußersten zu kämpfen.

Sie sind bewaffnet, fahren Pick-up-Trucks, berufen sich auf die Religion, befürworte­n die Todesstraf­e ... und es ist nicht der IS.

 ?? AFP/Rob Kerr ?? Das BLM gab den Bundys 2014 schon einmal nach – für die Besetzer des Nationalpa­rks ist ihr Vorgehen trotzdem »tyrannisch«.
AFP/Rob Kerr Das BLM gab den Bundys 2014 schon einmal nach – für die Besetzer des Nationalpa­rks ist ihr Vorgehen trotzdem »tyrannisch«.

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