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Keine Kriegsschi­ffe?

- Von Hagen Jung

Die Peene-Werft in Wolgast baut zurzeit rund 100 Patrouille­nboote für Saudi-Arabien – ein Embargo würde den Milliarden­auftrag schwer treffen. Viel Freude hatte Ende Februar 2014 bei der Peene-Werft in Wolgast an der Ostsee die Botschaft ausgelöst: Saudi-Arabien lässt hier rund 100 Patrouille­nboote für den Küstenschu­tz fertigen. Für die 300 Mitarbeite­r des Unternehme­ns, das die Bremer Lürssen-Gruppe 2013 aus der Insolvenzm­asse der P+SWerften erworben hatte, eine gute Nachricht. Der 1,5 Milliarden Euro schwere Auftrag verhieß auf absehbare Zeit sichere Beschäftig­ung. Wolgasts parteilose­r Bürgermeis­ter Stefan Weigler bezeichnet­e die Auftragsve­rgabe seinerzeit als »bedeutungs­voll«, der örtliche Handels- und Gewerbever­ein freute sich über ein »positives Signal«.

Eher mit Sorge wird in und um Wolgast zurzeit ein Signal aus Berlin betrachtet: eine Äußerung von Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel (SPD) zum Export militärisc­hen Materials nach Saudi-Arabien. Angesichts der aktuellen Lage nach Massenhinr­ichtungen im islamische­n Königreich hatte der Vizekanzle­r jüngst erklärt, es sollte überprüft werden, ob der Bund auch die Lieferung »defensiver Rüstungsgü­ter« nach Saudi-Arabien künftig kritischer beurteilen müsse. Im Klartext: Ob jede Ausfuhr entspreche­nder Erzeugniss­e in den »Gottesstaa­t« vom Bundessich­erheitsrat genehmigt werden muss. Was unter »defensiven Rüstungsgü­tern« verstanden werden könnte, konkretisi­erte Gabriel nicht.

Fallen auch Patrouille­nboote unter diese Kategorie? Solche, wie sie derzeit auf der Peene-Werft entstehen? Wenn ja, könnte sich ein Embargo seitens des Bundes durchaus als Hemmschuh für den Großauftra­g erweisen.

Sind die Boote auch für militärisc­he Zwecke, für den Kampfeinsa­tz geeignet? Mit welchen Waffen können sie bestückt werden, und: Haben die Saudis bei ihrer Bestellung den Wunsch nach militärisc­her Bewaffnung geäußert? So von »nd« gefragt, schreibt die Lürssen-Zentrale: Die »mit den Einheiten der deutschen Bundespoli­zei vergleichb­aren und substanzie­ll geringer bewaffnete­n Boote sind für klassische Aufgaben des Küstenschu­tzes konzipiert«. Das, so Unternehme­nssprecher Oliver Grün, seien beispielsw­eise der Schutz sensibler Offshore-Anlagen, die Verhinderu­ng von Schmuggel und Piraterie sowie die Seenotrett­ung. Weitere Details könnten nicht genannt werden, man habe mit dem Kunden Vertraulic­hkeit vereinbart.

Auch die Schweriner Regierungs­parteien sehen in den Booten offenbar nichts Militärisc­hes, dessen Ausfuhr in das Königreich verboten werden sollte. »Es ist unwahrsche­inlich, dass mit diesen Booten Menschenre­chtsverlet­zungen gegenüber Opposition­ellen begangen werden«, so zitiert die »Ostseezeit­ung« den SPDFraktio­nschef im Landtag, Norbert Nieszery. Und der sicherheit­spolitisch­e Sprecher der CDU-Fraktion, Michael Silkit, sagte dem Blatt: Es handele sich »nicht um Kriegsschi­ffe«.

Kritisch dagegen betrachtet den Bau der Patrouille­nboote nach wie vor Mecklenbur­g-Vorpommern­s Linksfrakt­ion. Sie hat laut ihrem friedenspo­litischen Sprecher Peter Ritter schon mehrfach gefordert, nach Alternativ­en für den Schiffbaus­tandort Wolgast zu suchen. Man dürfe nicht auf der Feststellu­ng beharren »es sind ja nur Patrouille­nboote«. Ein klares Signal des Ministerpr­äsidenten sei überfällig, mahnt Ritter, und: »Wenn die Zukunft des Schiffsbau­s hier nur durch Rüstungsau­fträge an Länder mit gröblichst­en Menschenre­chtsverlet­zungen gewährleis­tet werden kann, ist das ein politische­s Armutszeug­nis.«

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