Rückkehr des Blackouts auf die Krim
Kein neuer Stromvertrag zwischen Kiew und Moskau / Energiebrücke liefert erst im Frühjahr komplett
Seit einer Woche kämpft die Halbinsel Krim wieder mit Stromausfällen. Die Ukraine liefert keinen Strom mehr – und ein neuer Energievertrag zwischen Kiew und Moskau ist fast ausgeschlossen. Ende Dezember schien die Stromlage der Krim wieder stabil zu sein. Die Schwarzmeerhalbinsel musste zwar nach wie vor ohne Straßenbeleuchtung und mit weiteren Einschränkungen auskommen, doch die Haushalte waren zumeist nicht mehr von langen Stromausfällen betroffen. Am 30. Dezember folgte aber ein trauriges Neujahrsgeschenk: Der Blackout kehrte auf die von Russland kontrollierte Krim zurück. Die Halbinsel bekam mal wieder keinen ukrainischen Strom.
Nachdem die Organisatoren der von der krimtatarischen Versammlung Medschlis angeführten »zivilen Blockade der Krim« Anfang Dezember ihren Rückzug mitteilten, erneuerte Kiew die Stromlieferungen. Dafür wurde allerdings nur die kleinste Stromleitung genutzt. Sie kann im besten Fall ein Fünftel der von der Halbinsel benötigten Energie transportieren. Nach Angaben der Polizei wurden die Strommasten dieser Linie am 30. Dezember wieder gesprengt. »Damit haben wir nichts zu tun«, betont Lenur Isljamow, umstrittener »Koordinator« der Krimblockade.
Der Vertrag, der die Stromlieferungen an die Krim regelt, wäre ohnehin am 31. Dezember abgelaufen. So sind nach Informationen der Krimregierung etwa 23 Prozent der Bewohner in der Neujahrsnacht ohne Strom geblieben. »Leider begrüßten nur 77 Prozent das Jahr 2016 mit Strom. Die großen Einschränkungen konnten wir erst um 2 Uhr überwinden«, erklärt der Ministerpräsident der Krim, Sergej Aksjonow. Er drohte seinen Unterstellten mit Konsequenzen: »Die Schuldigen werden bestraft, das kann ich garantieren.«
Ein neuer Energievertrag zwischen Kiew und Moskau ist höchst unwahrscheinlich. Der russische Präsident Wladimir Putin beauftragte auf der Krim für den 31. Dezember eine Umfrage, deren Ergebnisse keine 24 Stunden später veröffentlicht wurden. Nach Angaben des staatlichen Meinungsinstituts WZIOM lehnen 93 Prozent der Krimbewohner die ukrainischen Stromlieferungen ab, wenn im neuen Vertrag die Halbinsel ausdrücklich als ukrainisches Territorium genannt wird. Das ist die wichtigste Bedingung Kiews. Das Ergebnis der Blitzumfrage wird aber von vielen Experten bezweifelt.
Sogar 94 Prozent sind laut WZIOM bereit, kleinere Stromprobleme in den nächsten Monaten zu erdulden. »Bis zum 1. Mai soll die ›Energiebrücke‹ zwischen dem Gebiet Kuban und der Krim komplett funktionieren, das werden wir aber früher schaffen. Dann erlebt die Halbinsel keine Stromausfälle mehr«, sagt Russlands Energieminister Alexander Nowak. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg: Durchschnittlich haben die Krimbewohner nun 16 Stunden Strom pro Tag. Der Strom fällt meist morgens und abends aus.
Doch im Grunde genommen ist die Lage viel besser als zu Beginn der Stromkrise. Die Krim wird mit rund 930 Megawatt versorgt – mehr als die Hälfte wird vor Ort produziert, der Rest kommt über die »Energiebrücke« vom russischen Festland. Das reicht aber nicht ganz. Bei starken Minustemperaturen, wie sie in der ersten Januarwoche herrschten, braucht die Halbinsel bis zu 1350 Megawatt. Also fehlen jetzt die etwa 200 Megawatt, die die Ukraine lieferte, enorm. Sie ermöglichten es, auf Einschränkungen fast zu verzichten. Nun ist das nicht mehr möglich.
»Die Krim braucht die ukrainischen Stromlieferungen nicht mehr«, betont Regierungschef Aksjonow. Ähnliches sagt auch Sergej Menjajlo, Gouverneur der Hafenstadt Sewastopol: »Ich hatte keinerlei Zweifel, dass die Bürger sich gegen den ukrainischen Strom entscheiden. Wir lassen uns nicht von den so genannten Kiewer Partnern erpressen.« Doch all die scharfen Töne sind vor allem ein Ablenkungsmanöver. Denn die andere Botschaft lautet: Die Krimbewohner müssen bis in den Frühling mit Stromproblemen rechnen.
Damit geht Moskau in der Stromkrise auf Risiko. Wenn die »Energiebrücke« fertig ist, erhält die Krim 800 Megawatt aus dem Kuban. Den Rest kann die Halbinsel selbst generieren. Ein großer Teil des Problems wird gelöst. Der Kreml weiß aber: Das Projekt »Energiebrücke« kann noch scheitern, auch wenn bisher es gut läuft. Doch wenn alles aufgeht, verliert Kiew eine seiner Trumpfkarten im Spiel um die Krim.